1 Schule in 10 Wochen: Das Education Togo Projekt

15.000 Euro waren notwendig, um eine Hauptschule in der Republik Togo zu errichten. Innerhalb 5-10 Jahren hätte man von der lokalen Community diese Mittel aufgestellt. Geschafft hat man es in 10 Wochen, allerdings nicht allein: Eine Spendenaktion des Deutschen Thommy Maidorfer, des Österreichers Hannes Stieger sowie der US-Amerikanerin Katy Kienitz, hat das scheinbar Unmögliche möglich gemacht. Im kommenden Sommer werden bereits die ersten Kurse in der neu errichteten Schule stattfinden.

Thommy mit “seinen” Kids – dank der Spendenaktion “Education Togo” können sie später eine Hauptschule besuchen. Foto:Education Togo

Thommy Maidorfer erzählt tripwolf über sein Projekt Education Togo und welchen Herausforderungen man gegenüberstehen kann, wenn man einfach  helfen möchte…

tripwolf: Thommy, wie kommt man dazu, eine Non-Profit-Organistaion wie Education Togo zu gründen?

Thommy: Begonnen hat es damit, dass ich Katy, eine frühere Studienkollegin von mir, in der Republik Togo besucht habe, wo sie als Freiwillige des US Peace Corps stationiert ist. Ich hatte keine Intention etwas zu machen, sondern wollte einfach die Chance nutzen, das Land mit jemandem zu sehen, der dort lebt. Aber vor Ort habe ich mir dann schon die ganze Zeit gedacht: Ich würde gern irgendeine Hilfestellung geben. Ich habe dann einmal den Bürgermeister der Gemeinde gefragt, was denn die großen Themen seien. Und da hat er gemeint, sie bräuchten eine Hauptschule, aber das Geld für den Bau könnten sie wohl erst in 5–10 Jahren aufstellen. Wie viel es denn wäre? 15.000 Euro.

Das hat mich nicht mehr losgelassen: Dieser Betrag klingt so wenig für unsere Maßstäbe, der muss doch aufzubringen sein! Kurz zuvor hatte ich mit einem Freund aus München über ein Tool gesprochen, mit dem man Spenden generieren kann, und mir gleichzeitig überlegt: Sagen wir, ich habe 1.000 Freunde aufund jeder spendet 15 Euro … Das klingt nicht utopisch – wohl wissend, dass natürlich nicht jeder etwas hergibt.

Katy hatte in der Zwischenzeit auch mit jemandem vom Peace Corps Kontakt aufgenommen, der so ein Projekt bereits durchgeführt hatte: Wir brauchten nur einen Bauherrn, der als Generalunternehmer alles managt, und natürlich das Geld! Nachdem ich mir aber noch nicht ganz sicher war, ob das Projekt so umsetzbar wäre, habe ich meinen Freunden von meiner Idee erzählt. Einer davon war Hannes, der Katy ebenfalls aus Texas kennt. Er hat gleich gemeint: Das machen wir zusammen! Und wenn wir nur 10.000 Euro zusammenbekommen, dann kommen wir beide für die restlichen 5.000 Euro auf…

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Um professioneller auftreten und Spenden sammeln zu können, wurde der Verein “Education Togo” gegründet. Foto:Education Togo

tripwolf: Wie ist es dann weitergegangen?

Thommy: Unser erster Schritt war einmal, einen Verein zu gründen, um das Ganze auch rechtlich abzusichern. Der Prozess war ganz schön mühsam und hat sicher sechs Wochen gedauert. In der Zwischenzeit haben wir aber schon mit der Arbeit begonnen, denn wir hatten einen ziemlich engen Zeitplan: Ich bin im Oktober aus der Republik Togo zurückgekommen und wusste, dass Katy nur bis November 2011 dort sein würde. Im Sommer kann man wegen der Regenzeit nicht bauen, also mussten wir im Februar mit dem Bau beginnen. Am 25. November haben wir angefangen Geld zu sammeln – wir hatten genau 10 Wochen Zeit, um 15.000 Euro zusammen zu bekommen.

tripwolf: Ein ganz schön straffer Zeitplan – wie habt Ihr es geschafft, das Geld aufzustellen?

Thommy: Wir wollten ja alles online machen, hatten aber gar keine Erfahrung damit. Auf einem Event, bei dem ich auch von dem Projekt erzählt habe, hat mich dann die Firma Internetkultur angesprochen und gesagt: “Wir möchten euch die Website bauen.” So hatten wir innerhalb von 10 Tagen eine professionelle Homepage, inklusive Spendensoftware von Altruja! Außerdem haben wir eine Fanpage auf Facebook kreiert und jede Menge Werbung gemacht: Wir haben alle angeschrieben, die engsten Freunde angefeuert, jeden angerufen, der irgendeine Funktion hat,  unsere Business-Netzwerke kontaktiert … Anfangs ging es schnell, weil gleich einmal eine 500 Euro-Spende eingegangen ist. Nach 10 Tagen waren wir auf 1.000 Euro. Das hört sich jetzt viel an, aber dafür, dass wir in 10 Wochen 15.000 erreichen wollten, war das gar nichts. So ist es mit Höhen und Tiefen weitergegangen. Unser erstes Ziel war, bis Silvester 10.000 Euro zu schaffen. Wir hatten in der Woche vor Weihnachten aber bloß 6.000 Euro. Da dachte ich schon, hoppla, das wird knapp. Aber dann haben wir genau in dieser Woche doch noch 1-2 große Weihnachtsspenden ergattert und wirklich bis Silvester unser Ziel erreicht.

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Im Februar wurde mit dem Bau der Schule begonnen, hier werden bereits Vorbereitungen fürs Dach getroffen. Foto: Education Togo

tripwolf: Das klingt ganz schön anstrengend! Habt Ihr mit soviel Arbeit gerechnet – und wie habt Ihr Euch diese geteilt?

Thommy: Ich habe gewusst, es ist viel, aber ich habe nicht gedacht, dass es so viel ist: Vor allem so viel kleinteilige Arbeit, viele Formalia… Auch, dass der Homepage-Aufbau und die -Pflege so mühsam sind, hätte ich nicht gedacht. Es waren sicher bis zu 30 Wochenstunden, und es ist auch nur gegangen, weil ich Freiberufler bin und auch sonst sehr viel arbeite – entlohnt. Diesmal habe ich eben viel unentlohnt gearbeitet. Aber in einem “normalen” Job wäre das nicht möglich, weil der Zeitaufwand enorm ist.

Hannes und ich haben uns die Arbeit geteilt: Er hat vor allem die Spenden administriert und die Homepage gepflegt, ich war im Feld und habe versucht, Kommunikation zu betreiben und die Vermarktung zu machen. Ich war auch auf jedem Fest, jedem Christkindlmarkt – überall, wo ich eine Plattform hatte, das Projekt zu präsentieren, Leuten davon zu erzählen und sie zu motivieren zu spenden. Es sind auch großartige Dinge entstanden: Meine Ziehschwester zum Beispiel hat selbstgebackene Kekse an der WU verkauft oder ein Freund aus der Schweiz, der bei Holiday Check arbeitet, hat dort eine Kooperation mit uns initiiert.

Katys Aufgabe war zuerst alles vorzubereiten, das Budget aufzustellen, herauszufinden, wie viel welche Arbeit kostet, und eben jetzt den Bau zu kontrollieren. Es war auch von Anfang an klar, dass ihre Aufgabe beginnt, wenn unsere aufhört.

tripwolf: Warum habt Ihr Euch nicht einfach einer größeren Nonprofit-Organisation angeschlossen. Hätte das nicht vieles erleichtert?

Thommy: Immer wenn ich eine große NGO sehe, bin ich doch sehr Betriebswirt und weiß, dass ein nicht vernachlässigbarer Teil der Gelder irgendwo hin gehen – in die Verwaltung zum Beispiel. Es ist die Ineffizienz von großen Unternehmen und NGOs, die mich abgehalten haben, dort zu spenden. So einer großen Organisation wollte ich mich nicht anschließen; ich wollte mein Projekt ohne Ineffizienz machen – jeder Euro kommt dort in der Republik Togo an. Und wenn ich etwas mit so hohem Engagement mache, möchte ich mir auch nicht dreinreden lassen…

tripwolf: Wie war die Reaktion der Gemeinde in der Republik Togo sowie deiner Freunde und Bekannten?

Thommy: Der Bürgermeister der Gemeinde in der Republik Togo ist in Tränen ausgebrochen, ist herumgetanzt und hat gemeint, sie tun alles, was sie dazu beitragen können, alle werden für das Projekt eingesetzt. Sie hatten ja auch schon das Land, wo wir die Schule bauen, es gab schon die Lehrer, die bisher eben auf dem Feld unterrichtet haben – es fehlte nur an der Infrastruktur. Die Community hat es wirklich toll aufgenommen, sie haben ein unheimlich tolles Fest geliefert mit Tanz und Show. Da hast du gemerkt, die freuen sich!

Die Reaktion im Bekanntenkreis war auch gut, aber nicht nur. Von Familie und engen Freunden schon, aber es gab viele, bei denen es nicht so angekommen ist und die das Projekt immer wieder in Frage gestellt haben. Für uns war es teilweise auch verwunderlich: Was, der spendet nur 5 Euro?! Ich hätte gerechnet, dass er mehr spendet… Und mich hat sehr gewundert, dass nur wenig kleine Spenden dabei waren. Ich hätte gedacht, dass viele Leute kleine Beträge auf Facebook spenden, aber in Wahrheit war es so, dass eher in Richtung 100 Euro gespendet wurde – aber dafür eben weniger Leute mitgemacht haben.

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Thommy und Hannes haben bei ihrem letzten Besuch in der Republik Togo auch selbst Hand angelegt. Foto: Education Togo

tripwolf: Was würdest du Leuten raten, wenn sie auch irgendwo sind und helfen wollen?

Thommy: Das ist schwierig zu sagen. Ich glaube, dass das Modell, das ich gemacht habe, nicht empfehlenswert ist. Ich glaube nicht, dass jede Situation und jede Person die Grundvoraussetzungen mitbringt, so etwas so erfolgreich umzusetzen. Wir haben von einer starken, eigenmotivierten Gemeinde vor Ort profitiert und davon, dass wir jemanden dort in der Republik Togo hatten und natürlich projekterfahrene Leute mit einem starken Netzwerk hier in Österreich. Dadurch konnte es so erfolgreich sein. Ich würde nie jemanden, der nicht ähnliche Voraussetzungen hat, raten, so etwas zu machen. Es sind extrem viele Ressourcen und Energien hineingeflossen, um das Projekt so umzusetzen. Von dem her weiß ich nicht, was ich jemanden raten würde – es gibt wohl einfach keine Zauberformel!

tripwolf: Was sind sonst noch Lernerfahrungen, die du anderen mitgeben kannst?

Thommy: Es ist wichtig, sich in die Leute hineinzuversetzen. Ich hatte sicher Vorteile, weil ich schon viel gereist bin und in China und Brasilien gelebt und gearbeitet habe, wo man für solche Länder ein Gefühl bekommt; wo man einfach begreift, das nichts funktioniert. Ich denke, es können Projekte daran scheitern, dass man von etwas ausgeht und mit den Rückschlägen nicht umgehen kann. Ich habe von Anfang an gefragt: Was ist das Worst Case Szenario? Wie lange kann so etwas dauern? Womit müssen wir rechnen? Schon in der ersten Januar-Woche, als wir die 10.000 Euro, zusammen hatten, habe ich zu Katy gesagt: Fangt an, legt los! So haben wir schon mit einem Vorlauf angefangen und abgefedert, dass es dann vielleicht heißt: Also im Moment gibt es keinen Zement! Geduld ist schön und gut, aber darauf konnten wir uns nicht einlassen, wir hatten ja diesen enormen Zeitdruck.
Wir denken mit der europäischen Mentalität, denken, dass wir einen Plan aufstellen, der dann dort auch funktioniert. Das ist eben nicht so. Darauf muss man sich einlassen, und die kulturellen Unterschiede akzeptieren.

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Katy ist als “one woman show” für die Projektabwicklung in der Republik Togo vor Ort. Foto: Education Togo

tripwolf: Wie gehts jetzt mit “Education Togo” weiter?

Thommy: Die grundlegende Prämisse, als wir mit “Education Togo” begonnen haben, war: Das muss klappen, dann schauen wir, ob wir weitermachen. Hannes und ich waren Mitte Februar in der Republik Togo und wahnsinnig überrascht, wie weit sie schon sind. Es ist alles gut verlaufen, und jetzt – Mitte Mai – ist die Schule so gut wie fertig; das Gebäude steht, Dach und Türen sind drauf, der Anstrich und das Innenleben fehlen, aber es steht. Jetzt ist der Zeitpunkt, wo wir anfangen uns Gedanken zu machen, wie es weitergeht! Ich würde das Ganze gern weiter betreiben, es hat Spaß gemacht und es ist eine gute Sache. Wenn man einmal angefangen hat, merkt man auch, dass da noch mehr gehen kann. Außerdem habe ich jetzt eine Plattform, über die man schnell wieder etwas Ähnliches machen kann. Die Zielsetzung für die nächsten Monate ist es, zu schauen wo wir nochmals ähnliche Grundvoraussetzungen finden und dazu bin ich auch schon mit Leuten in Kontakt. Meine Idealvorstellung wäre, wieder so etwas zu machen, aber ich bin auch anderen Ideen gegenüber offen und vor allem am Überlegen, wie Projekte nachhaltiger werden können – also nicht nur eine Spendenfinanzierung zu schaffen, sondern einen Kreislauf zu etablieren und damit Arbeitsplätze zu schaffen, so dass sich ein solches Projekt dann vielleicht selbst finanzieren kann. Das reizt mich auch, aber es erhöht die Komplexität. Ich bin noch am Ausloten, was geht…

tripwolf: Könntest du dir auch vorstellen, einmal für ein Projekt nicht “nur” Spenden zu sammeln, sondern auch vor Ort mitzuarbeiten?

Thommy: Ich würde schon ganz gerne einmal für eine Zeit vor Ort in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sein, weil ich ja sehr reiseaffin bin. Doch im Moment habe ich noch Aufgaben hier, von denen ich mich nicht lösen kann. Dennoch ist es ein Gedankenspiel – aber nicht, um wie jetzt auch in der Republik Togo beim Hausbauen zu helfen, sondern um meine Erfahrungen zum Beispiel als Projektmanager sinnvoll einzusetzen. Ich glaub auch, dass es dort genau daran mangelt, weil Haus bauen können sie, aber Projektmanagement oder Kostenrechnungen und Planbudgets sind nicht so Standard und viele Dinge scheitern, weil diese Kompetenzen nicht vorhanden sind. Man sieht viele Häuser im Togo, die nur halbfertig sind. Was ist passiert? Vielleicht fehlt der Drive, ein Projekt abzuschließen. Projekte sind schnell gestartet, aber das “closing” muss man auch noch unterbringen…

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Das Werk ist vollbracht: So sieht sie aus, die Mitte Mai fertig gewordene Schule. Foto: Education Togo

tripwolf: Apropos “closing” – beim Abschluss des Projekts, also bei der Eröffnung der Schule im Herbst, bist du wieder in der Republik Togo, oder?

Thommy: Ich möchte natürlich dabei sein, aber es ist eine Zeitfrage. Doch ich fliege in jedem Fall in die Republik Togo, um die fertige Schule anzuschauen – hoffentlich zur Eröffnungszeremonie…

tripwolf: Ich drücke dir dafür die Daumen und danke für das Gespräch!

Thommy Maidorfer arbeitet als Lektor für Strategisches Management an der Wirtschaftsuniversität Wien und als selbstständiger Unternehmensberater in Bereichen Strategie und Unternehmensführung. Und – natürlich – für “Education Togo”.

Mehr zu Education Togo findet Ihr auf der Website oder auf der-Page des Projekts

Erstveröffentlicht auf tripwolf, am 8. Juni 2011

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