Amazonas – mit Jaguar, Schlangen und Franzosen

“Franzosen duschen generell nicht”, plaudert unser englischsprachiger Guide Diego aus dem Nähkästchen, während wir uns in der Shiripuno Amazon Lodge im ecuadorianischen Oriente von den Erlebnissen der letzten Tage ausruhen. “Einmal war ich mit einer Gruppe Franzosen unterwegs”, untermauert er seine Theorie mit einer Geschichte, “da war auch ein ziemlich Dicker dabei. Plötzlich kam ein Wildschwein auf uns zu – und er begann zu laufen. Dass der so rennen kann, hätte ich nicht gedacht. Weg war er! Nach fünf Minuten haben wir ihn dann zu suchen begonnen. Erfolglos! Als ich einen hohlen Baumstumpf gesehen habe, habe ich darauf geklopft: Wir sind es. Er hat da drin gesteckt und wusste nicht mehr, wie er rauskommen soll. So schmutzig wie er war, hätte ich an seiner Stelle sofort nach dem Heimkommen geduscht, aber er nicht – bis zur Abreise nicht.”

Sprichwörtlich von Angesicht zu Angesicht ist man mit Kaimanen im Amazonas. Foto: Doris Neubauer

Das Thema Sauberkeit beschäftigt Diego gerade, muss er doch mit ein paar Hosen und T-Shirts auskommen, nachdem ihm – vor seinem Einsatz in der Abgeschiedenheit des Dschungels – auf der Busfahrt die Tasche mit all seinem Hab und Gut abhanden gekommen ist. Und das kann ganz schön anstrengend sein, wie auch wir feststellen mussten: Schon bei unserer ersten Wanderung hat uns der Regen so heftig erwischt, dass wir die restlichen drei Tage entweder mit nasser und/oder schmutziger Kleidung herumlaufen. Nein, einen Schönheitswettbewerb würden wir gerade nicht gewinnen, aber wen interessiert das schon, wenn man dafür jede Menge Affen, bunte Vögel, farbenprächtige Pflanzen sehen und die seltsamsten Geräusche hören kann? Willkommen im Amazonas, willkommen im Yasuní Nationalpark! Wenn einem nach einer vierstündigen Fahrt mit dem motorisierten Kanu beim Aussteigen riesige, lila-blau-silberne Schmetterlinge begrüßen; wenn man von der Veranda aus strahlend türkise Vögel beobachten kann; wenn man nicht einmal seine Hängematte verlassen muss, um die wildesten Geräusche zu hören und die farbenprächtigsten Tiere hautnah zu erleben – dann ist man hier: Im Yasuní Nationalpark. “1 Hektar hier hat zweimal mehr an Flora, Fauna, an Wildlife zu bieten als ganz Kanada”, verrät Diego, der – zwar nicht aus dem Stamm der ansässigen indigenen Huaorani – hier geboren und aufgewachsen ist. Er und das gesamte Team der Shiripuno Lodge, die bereits vor 20 Jahren gebaut wurde, geben sich auch alle Mühe, genau das für Touristen – Ecuadorianern ist der Dschungel zu kostspielig – unter Beweis zu stellen.

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Grün wohin man schaut – im Yasuni Nationalpark glaubt man wirklich, dass es sich um das üppigste Naturgebiet der Welt handelt. Foto: Doris Neubauer

Dabei müssten sie gar nicht viel tun, denn der Regenwald selbst ist Beweis genug. Das wird hoffentlich so bleiben, auch wenn die Regierung immer wieder versucht, die Ölbohrungen, die rund um den Yasuní Nationalpark stattfinden und wichtigster Wirtschaftszweig sind, im Wald selbst auszuweiten. Was das für das Leben der zahlreichen Tiere und Pflanzen bedeutet, möchte ich mir gar nicht ausmalen. Bei unseren Touren haben wir zwar nicht so viel Glück wie die Franzosen, dass wir einem Wildschwein begegnen – aber vielleicht ist das auch ganz gut so… Dafür sehen wir jede Menge Affen, es huschen seltsam gestreifte “Riesenmeerschweinchen” über den Weg, auf nächtlicher Bootstour beobachten wir Kaimane und können bei einer anderen Nachttour eine Schlange von der Nähe betrachten. Und – fast – hätten wir auch einen Jaguar gesehen! Ja, einen Jaguar! Ganz schön spektakulär, wenn man das Brüllen und Knurren hört, Diego stehen bleibt und mit für mich etwas zu cooler Stimme sagt: “Ja, das war jetzt ein Jaguar. Und er ist ganz in unserer Nähe.” Dass der sich dann doch entschieden hat, unsere Gruppe – die aus zwei US-Amerikanern, einem holländischen sowie einem deutschen Paar und mir besteht – , zu verschonen, kann ich jetzt nicht mal bedauern…

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Zu groß zum Umarmen: Der Riesenbaum im Amazonas-Gebiet, in dem früher die indigenen Völker auch gehaust haben. Foto: Doris Neubauer

Trauriger war da schon unser – vergeblicher – Versuch, Piranhas zu fischen. Dreimal haben wir es in unterschiedlichen Gewässern versucht und trotz Diegos Versicherung: “Diesmal wird es garantiert etwas”, blieben unsere Angelhaken leer. Dass das offenbar weniger an den Piranhas als an unseren plumpen Angelkenntnissen liegt, beweist die Tatsache, dass unser Huaorani-Begleiter nach nur fünf Minuten bereits einen Fisch am Haken hatte. Ganz schön peinlich auch wenn man bedenkt, dass das deutsche Paar am Tag vor unserer Ankunft nicht nur einen Piranha gefischt und schließlich abends verspeist hat sondern dabei noch von einer Anakonda überrascht wurde. Dass sie sich über Ersteres gefreut, von Zweiterem eher schockiert waren, muss ich nicht erwähnen. Das Wort “Anakonda” war jedenfalls für die nächsten drei Tage der Running-Gag in der Lodge.

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Nein, zum Fischen bin ich nicht geboren – schon gar nicht, wenn es ums Piranha-Fischen geht! Foto: Doris Neubauer

Nach vier Tagen Natur, Schlafengehen um 22.00, Aufstehen um spätestens 7.00, Kerzenschein und Tiergeräuschen statt Musik fällt der Abschied schwer, gleichzeitig lockt die Zivilisation mit frischem – nicht nach Regenwald riechendem – Gewand, Strom und einer warmen Dusche. Auch Guide Diego freut sich nach dreißig Tagen auf “Heimurlaub” in Quito, im “Dschungel”, wie er die Großstadt bezeichnet. Sein Kollege übernimmt die nächste Gruppe. Franzosen, übrigens.

Tipps: Mein einziger Tipp für diesen Trip ist die Investition in einen guten Regenanzug (Jacke und Hose). Es ist einfach nicht lustig, bis auf die Knochen nass zu werden. Und Kleidung-Trocknen gestaltet sich im Dschungel auch schwierig…

Erstveröffentlichung auf tripwolf am 26. März 2012

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