Berlins Einladung in die “Goldenen Zwanziger”

Ein schwarz glänzender Oldtimer steht im festlich geschmückten Innenhof; Männer mit Pomade im Haar und Monokel auf der Nase halten– ganz Galan – vielversprechend die Türen auf. Versprochen wurde wirklich nicht zu viel: Goldene Lichter überall, Zigarrenduft, beschwingte Töne und ein Gewirr an Menschen. Federn geschmücktes Haar, Damen mit Wasserwellen, die sich gegenseitige zufächern, behandschuhte Hände, glitzernde Kleider, Netzstrümpfe, rote Münder, Herren mit Hosenträgern und Hut – der Anblick, der sich bietet, ist Glamour pur. Einfach Atemberaubend!


Foto: Heinrich v. Schimmer

Wir schreiben das Jahr 2009, genauer gesagt Samstag, den 28. November – und wir befinden uns auf einer Party mitten in Berlin. Eine Party? Nein, ein rauschendes Fest „zu Ehren der Helden vergangener Nächte, an welche die Helden der heutigen erinnern“. Seit Mai 2005 können feine Damen und Herren – und solche, die es für eine Nacht sein wollen – bei der  einmal im Monat in die Welt der 20er Jahre eintauchen. In eine Welt, in der die Menschen wie kaum in einer anderen Zeit zuvor das kulturelle Leben genossen haben – und ihre Sorgen bei Tänzen wie Charleston, Swing oder Shimmy für einen kurzen Moment abschütteln und vergessen wollten.

Nach dem ersten Weltkrieg und noch bevor die Wirtschaftskrise von 1929 so richtig zuschlug, erlebte Berlin eine Hoch-Zeit: An der Gedächtniskirche und am Kurfürstendamm im Westen der Stadt entstanden die Großkinos Capitol und Ufa-Palast. Max Reinhart baute sein Theater am Kurfürstendamm, das Hotel Adlon war Sammelpunkt für die Schönen, Reichen und Berühmten. Bars, russische Teestuben, Szenen der Kleinkunst spielten sich am Berliner Broadway ab – und in den neuen Ballhäusern wie dem Ambassadeur wurde getanzt, als ob es kein Morgen gäbe.

Genau das können die Berliner ja bekanntlich auch heute noch sehr gut. Und immer mehr wollen dabei das alte Lebensgefühl der sogenannten „Goldenen Zwanziger“ wieder aufleben lassen: Designer wie Andrea Kiersch in ihrem „Charming Styles“ in Prenzlauer Berg zum Beispiel verkaufen Kleidchen und Accessoires im Stil der 20er und 30er Jahre, maßgeschneidert nach Schnittmustern der Oma. Echte Originalstücke aus den Jahren 1850 – 1950 lassen sich hingegen bei „Mimi – Textile Antiquitäten“ im Stadtteil Schöneberg finden. Diese Kunstwerke aus Federn, Glitter und Samt wollen natürlich auch getragen werden – und was wäre dafür besser geeignet als die „Vintage-Veranstaltung“ Bohème Sauvage?


Shopping für die Party?! Nichts leichter als das. Foto: Doris Neubauer

300 bis 600 Gäste zählt der illustre Abend, der durch die französische Belle Epoque, die Berliner Roaring 20s und die amerikanischen Swingin’ Thirties inspiriert ist, jedes Monat. Initiiert und erfunden von Frl. Else Edelstahl (alter Ego von Inga Jacob) ist das Programm immer ähnlich, nie aber völlig gleich: In stets wechselnden Etablissements in Berlin führt der Conferencier CoCo durchs Programm von verschiedenen Bühnenshows. Burlesque Revuen, Sänger und Vokal Ensembles im Stil der Comedian Harmonists sorgen für Unterhaltung und vor allem die notwendigen Tanzpausen. Die Füße danken! Was nämlich zu Beginn der Veranstaltung nur einzelnen Pärchen – und vor allen den Eintänzern – vorbehalten ist, dem können später nur mehr ganz wenige widerstehen. Die Klänge von Schlager, Chanson, Charleston, Swing oder Gipsy bringen selbst die größten Tanzmuffel zum Zucken. Hilfreich dafür ist auch der kurze „Einführungstanzkurs“: Spätestens dann ist Alles auf der Tanzfläche, bewegt sich wild, unbändig, Männlein mit Weiblein, Weiblein mit Weiblein, allein, zu zweit, zu dritt… Hauptsache, es gefällt.

Während die einen auf der Tanzfläche zur Sache gehen, können andere ihr Glück auf die Probe stellen:  Im Kasino zeigen Spielfreudige bei Roulette, BlackJack und Poker ihre Nerven. Gespielt wird natürlich „original“ mit der Reichsmark, die die Gäste – als Startkapital – mit ihrer Eintrittskarte mit bekommen. Der Einsatz ist hoch, der Gewinn allerdings wirklich lohnend: Mit dem erspielten Vermögen kann man sich dann an der Absinth-Bar Hochprozentiges gönnen. Und damit spielt, tanzt oder redet – nein, vielmehr parliert, es sich gleich besser. Ich kann es bestätigen, ich war dort!

Eines habe ich aber leider verpasst: Zu einer großartigen Bohème Sauvage gehört auch die Steptanz-Einlage des Conferenciers CoCo – und die musste im November leider entfallen, weil der Künstler seine Stepschuhe bei einem „Gastauftritt“ der Bohème Sauvage in New York vergessen hatte. Ein Desaster, das mich – leider – dazu zwingt, noch einmal ins Berlin der Goldenen Zwanziger reisen zu müssen….oder auf einen, lang ersehnten, Gastauftritt der Veranstaltung in Wienzu warten…

Erstveröffentlicht auf tripwolf, am 7. Dezember 2009

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