Eat, Party, Live: (M)ein Roadtrip durch Emilia Romagna
Hätte Elizabeth Gilbert ihre Selbstfindungsreise ausschließlich in Italien verbracht, hätte sie statt “pray” und “love” wohl eher “party” und “live” gelernt. Die ItalienerInnen jedenfalls scheinen MeisterInnen darin zu sein. Beweis: Auf unserem Tagesroadtrip ins Hinterland von Rimini wurde in jedem der mittelalterlichen Städte und Dörfer zelebriert. Was? Das Leben natürlich – und dass dazu jede Menge köstliches Essen genauso gehört wie Wein, das ist eine Selbstverständlichkeit. Schließlich sind wir in Italien!
Alte Pflastersteinwege schlängeln sich durch enge Gassen. Die Gemäuer, hier und da verfallen, geben immer noch beeindruckendes Zeugnis einer Zeit, die kein Hollywood-Film standesgemäß darstellen kann. Dazwischen überraschen uns Kunstwerke, moderne rot-gelb-abstrakte Gemälde an Außenwänden neben steinernen Liebenden in den Parks neben Schnecken aus Messing, die als Brunnen dienen. Ringsum liegen grün-ockerfarbene Felder und kaum etwas, was den Blick über die ruhige Hügellandschaft trübt. Idyllisch, ja fast schon kitschig präsentieren sie sich, die Städte und Dörfer in der Region Emilia Romagna, genauer gesagt im Marecchia-Tal. So idyllisch, dass wir die Strände Riminis vergessen, an denen sich Liegestuhl-an-Liegestuhl und Hotel-an-Hotel reiht. Dabei sind sie noch nicht einmal eine Autostunde entfernt.
“Achtung!” kreische ich. Zu viel geträumt! Hätten uns jetzt doch glatt rasende ItalienerInnen in ihrem kleinen Fiat von der Straße gedrängt. Mein Freund bleibt souverän ruhig, und ich bin wieder einmal froh, ihm das Steuer überlassen zu haben. Ich hätte so meine Schwierigkeiten gehabt mit der temperamentvollen Fahrweise der ItalienerInnen, die sich in den steilsten Kurven an uns vorbeidrängen. Sie straft den ruhigen Schein der mittelalterlichen Gebäude ebenso Lügen wie die Bau-Gerüste, die uns einige gewollt stilvolle Fotos zunichte machen.
Route: Rimini – Penabilli – Petrella Guidi – Sant´Agata Feltria – San Leo – Montebello
“Fertig, Feuer, Los!”, werden wir besonders – nunja – herzlich in San Leo begrüßt, einem der “schönsten Dörfer Italiens”. Kaum ist der Ruf verklungen, rennen an uns schon fünf Menschen in blauen T-Shirts vorbei. Verfolgt von einer Gruppe in gelben und einer anderen in roten Hemden. Wir sind mitten in ein Teambuilding-Seminar eines Kräuterherstellers geraten. Ja, es wird gelebt in Penabilli, Sant´Agata Feltria, Montebello,… – so die Namen der Städte auf unserer Route. Selbst im als “Geisterstadt” angekündigten Petrella Guidi heißen uns bellende Hunde, der Duft von Pasta und vor allem Bagger wie Traktoren willkommen. Ausgestorben?! Nein! Haben sich doch auf Einladung des kürzlich verstorbenen Künstler Tonino Guerra, dessen Spuren überall in der Region zu sehen sind, ganze Familien am Fuße der Festung angesiedelt.
Während wir uns auf den Straßen trotz GPS wegen der schlechten Beschilderung – “ist der Pfeil durchgestrichen oder nicht?” - immer wieder verfahren, finden wir uns in den Städtchen selbst gut zurecht. Überall müssen wir einmal steil bergauf zur Festung, um dann vor den Toren derselben zu entscheiden, doch lieber draußen zu bleiben. Die brütende Hitze lädt mich nicht sonderlich ein, mir in Museen oder Burgen gegen Eintritt Rüstungen anzuschauen – auch wenn es zwischen den alten Steinmauern vielleicht sogar die erhoffte Abkühlung gegeben hätte. Da bevorzuge ich, den Blick von hoch oben über die rot geziegelten Dächer der Stadt schweifen zu lassen – und mir hier den Schweiß von der Stirn zu wischen. Meine Lieblingsaussicht erhasche ich schon am Anfang auf unserer ersten Station in Penabilli. Da kommen wir nämlich zufällig auf den Hügel “Campana di Lhasa”, wo tibetische Fahnen an den Besuch des Dalai Lama vor sieben Jahren erinnern.
Aber zurück nach Italien! Schon am Anfang unseres Tagestrips wussten wir, wohin er uns abends führen würde: Zur 16. Festa Artusiana nach Forlimpopoli nämlich, einem Slow Food Festival. Doch es wäre nicht Italien, wäre es das einzige Fest, das sich in diesen Tagen um die wichtigste Sache, das Essen, dreht. Am selben Wochenende verwandelt auch die “Festa del Pane” den Ort Maiolo zwei Tage lang in einen einzigen großen Brotbackofen, zumindest abends, denn natürlich sind wir nachmittags zu früh dran, um das Spektakel in seiner Blüte zu erleben. So beobachten wir nur wie fleißig Stühle und Tische geschleppt, Teller hergerichtet, Bühnen aufgebaut, Gärten geschmückt werden und natürlich gebacken wird. An einer der sechs Stationen, die später ab 16.30 süßes, würziges, hartes und weiches Weißbrot servieren, wird uns sogar ein Ständchen gesungen: Italienisch und für unsere Ohren recht schwülstig hören wir von einem schwarzbärtigen Gitarrenspieler über “Amore” und “bella vita”….
Wir verzichten aber darauf, uns für 9 Euro durch “Pen e cumpanatic”, “Dulc Dulcin e Dulcet”, “Crustein ad tut i tip” und Co. durchzukosten: Wir wollen mehr! Pasta und getrocknete Tomaten, duftendes Basilikum, frische Piadina und herrlich riechender Käse, süß-tropfendes Eis, reife Pfirsiche und erfrischende Melonen, starker Kaffee… mit knurrendem Magen und hängender Zunge verlassen wir das Marecchia-Tal und treten die Fahrt in den Norden Riminis nach Forlimpopoli an. Es liegt nicht wirklich auf der Route und wäre das Festival nicht, hätten wir die Gegend wohl an einem anderen Tag besucht. Doch dafür haben wir – diesmal – keine Zeit. Schneller als gedacht sind wir eine Stunde später am Ziel. Der erste Eindruck: Enttäuschend! Nach den mittelalterlichen Siedlungen sieht die Stadt zu modern, ja fast wie ein Industrieort aus. Gottseidank nur auf den ersten Blick. Kaum kommen wir ins Zentrum, sind wir wieder in “unserem” Italien mit seinen Pflastersteinen, einer beleuchteten Burg (diesmal nicht auf dem Berg!), schönen Menschen, spielenden Kindern, geschmückten Restaurants und Stände nmit jeder Menge kulinarischer Köstlichkeiten. Und wir?! Wir machen an unserem letzten Abend, der gleichzeitig Abschluss der Festa Artusiana ist, genau das, was wir in der Emilia Romagna gelernt haben: Essen, feiern, leben!
Mehr Fotos gibt es auf meiner
Auch sehr hilfreich sind die Broschüren “A journey in FC. The unveiled soul of the green heart” (www.turismo.fc.it), Mouth-watering breaks in Emilia Romagna. (Wine Food Festival Emilia Romagna) und “Malatesta & Montefeltro: A journey through the hills of Rimini” (Camera di Commercio Rimini)