Helden der Woche: Hannah & ihre Schwestern, die Andersmacher
Unterwegs und auch zuhause begegne ich vielen Menschen, die mich beeindrucken, mich inspirieren, mir Mut machen oder mich zum Nachdenken anregen. Mal sind es Bekannte oder Leute, mit denen ich mehr Zeit verbringe – ein anderes Mal ist es ein zufälliges, kurzes Zusammentreffen mit einem Fremden, das Spuren hinterlässt. Es ist Zeit, diese – meine – Helden des Alltags vorzustellen:
Wer: das ist ein Wiener Verein, der sich um die Betroffenen von Frauenhandel kümmert, genauer gesagt um “Betreuung, Freiraum & Integration” derselben. FOOTPRINT, das sind die 26jährige Gründerin Hannah und ihre 24 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen. Natürlich sind nicht alle ihre Schwestern (lasst Euch vom Titel des Posts in Anlehnung an den gleichnamigen Film nicht irreführen), es sind nicht einmal alles Frauen. Eine Tatsache, die seit der Gründung vor genau zwei Jahren für Aufsehen sorgt – richtet sich doch der Verein an durch Frauenhandel oder Gewalt missbrauchte Frauen, und die sind oft gerade durch Männer traumatisiert. “Aber wir wollen hier bei FOOTPRINT keine Parallelwelt aufbauen”, erklärt Elisabeth – eine der Freiwilligen, die Montag bis Donnerstag von 9.00 bis 20.00 Uhr die Anlaufstelle im 3. Wiener Bezirk offen halten – , “es geht darum, dass die Frauen wieder Vertrauen fassen – auch in Männer – und sich so in die Gesellschaft integrieren können.”

Woher die betroffenen Frauen kommen? Hier können sie ihr Land “pinnen”. Foto: Doris
Frauenhandel in Wien? Ja, den gibt es. Laut Statistik werden in mehr als 400 Wiener “Etablissements” Frauen Opfer von Menschenhandel; es gibt 7.000 Zwangsprostituierte, wobei der Ausländeranteil bei 90% liegt und jede 3. Frau wird in Österreich Opfer von häuslicher Gewalt – so die von FOOTPRINT zitierten Zahlen.

Elisabeth & Gründerin Hannah empfangen mich im Vereinslokal im 3. Wiener Bezirk. Foto: Doris
Wo wir uns begegnet sind: “Am Samstag lädt der Verein FOOTPRINT-für Betroffene von Frauenhandel zu seinem 6. KULLUK -Dinner (Kultur & Kulinarik) und reist mit Ihnen nach Vietnam“ – Im Juni ist mir die Einladung zu dieser monatlichen Veranstaltungsreihe von FOOTPRINT in die Mailbox geflattert. Eine Einladung nach Vietnam – und sei es auch “nur” kulinarischer Art – schlage ich selten aus, es sei denn, ich bin wieder mal nicht in Wien. So war es dann auch. Meine Aufmerksamkeit aber hatten die Veranstalter dieser monatlichen kulinarisch-kulturellen Reise bereits gewonnen. Und so habe ich sie diese Woche in ihrem besucht.
Dort bietet FOOTPRINT Opfern von Frauenhandel und Gewalt nicht nur eine Anlaufstelle, sondern auch gratis Deutschkurse. Außerdem finden öffentlich zugängliche Sportkurse wie Yoga oder Zumba statt: Die Gebühr jeder externen Teilnehmerinnen* macht es möglich, dass auch Betroffene am Sport teilnehmen können.

Das WC als geschützter Raum, in dem die Frauen auch über Verhütung aufgeklärt werden können. Foto: Doris
Womit sie mich beeindrucken: Wo soll ich anfangen? Mh, vielleicht am Klo – dort, wo auch die “Hausführung” begonnen hat, die Elisabeth und Hannah mit mir gemacht haben. Klingt komisch, aber die Erklärung kommt sofort: Das Thema Verhütung ist gerade bei Frauen, die in der Zwangsprostitution sind, noch immer ein Tabu, deshalb wird es an einem privaten, diskreten Ort erklärt – am WC, wo Plakate zur Verwendung von Kondomen hängen und eben solche zur Mitnahme auflegen.

Anfänger- und Fortgeschrittenenkurse werden gratis angeboten, auch ein Bewerbungskurs ist dabei. Foto: Footprint
So sensibel und vorsichtig wie mit dem Thema Verhütung geht das Team rund um die 26jährige studierte Afrikanistin Hannah mit allem um. Das liegt vielleicht daran, dass die ehemalige Waldorf-Schülerin im Rahmen ihrer Diplomarbeit rund um Zwangsprostitution afrikanischer Migrantinnen in Österreich einiges in Non-Profit-Organisationen, Frauen- und Schutzhäusern gesehen hat, was sie anders machen wollte. “Aus lauter Wut gegen das System habe ich FOOTPRINT gegründet”, erklärt die zierliche Blonde über ihr in Wien einzigartiges Angebot, das den Betroffenen Hilfe zur Selbstständigkeit geben möchte, “sofort hatte ich die Unterstützung von 10 Leuten. Als wir gleich in den ersten drei Monaten zwei Preise gewonnen hatten, ging alles ziemlich schnell.”

Sozial- und Rechtsberatung gibt der Verein auch. Kostenlos. Foto: Footprint
Geduld hingegen braucht das ausschließlich ehrenamtlich arbeitende Team bei den Betroffenen selbst: “Niederschwellig” muss das Angebot sein, damit es die verschreckten, traumatisierten Frauen überhaupt in Anspruch nehmen. Viele kommen zuerst zu einem der Gratis-Deutschkurse, die bei FOOTPRINT angeboten werden – und lassen sich später, wenn sie einmal Vertrauen zu Hannah und ihren jungen KollegInnen gefasst haben, auf eine Sozialberatung ein. Oder sie verbringen Zeit im Vereinshaus bei Kaffee und Leckereien, tratschen mit den MitarbeiterInnen und holen sich Sachspenden ab, die aufliegen. Oder sie können sich bei den Sportkursen so richtig austoben und ihre Probleme “rausschwitzen” – gemeinsam mit “normalen” Teilnehmerinnen.
Dass das FOOTPRINT-Team mit 20 – 34 fast im selben Alter wie die durchschnittlich 18 – 25jährigen Klientinnen sind, ist sicher von Vorteil. Dass kein Erfolgsdruck da ist, ebenso. “Wir haben keine quantitativ messbaren Ziele – das wäre wohl auch zu frustrierend”, erklärt Hannah, die wie alle anderen zum Brotverdienen ihrem Beruf im Sozialmanagement weiter nachgeht, “für uns ist es ein Erfolg, wenn das Lächeln der Frauen breiter wird oder ihre Lebensqualität spürbar steigt. Oder wenn sie einfach nicht mehr zu uns kommen, weil sie uns nicht mehr brauchen.”

Jede kann bei den Sportkursen mitmachen – und ermöglicht durch die Teilnahmegebühr, dass auch eine Betroffene Sport machen kann. Foto: Footprint
Wie du sie treffen kannst: Wer FOOTPRINT unterstützen möchte, der kann das über eine einmalige oder – noch besser – laufende Geldspende (ab € 5,- im Monat) tun – die Spenden kommen ausschließlich dem Verein zu Gute (Anm.: die Spendenabsetzbarkeit wird lt. gesetzlicher Regelung erst in 1 Jahr möglich sein). Auch Sachspenden sind natürlich jederzeit willkommen. Wer darüber hinaus in Wien ist, kann einen der Sportkurse (*Yoga, Zumba, Bellyfitness, Qi Gong sind derzeit im Angebot) besuchen und durch die Teilnahmegebühr (10er Block um € 97,-, 10er Block für StudentInnen um € 72,-, 5er-Block um € 55,- und Schnupperstunde um € 7,-) einer Betroffenen ebenfalls die Möglichkeit geben, sich bei Sport auszupowern und sich zu integrieren. Oder du besuchst die monatlichen Feste (KULLUK – Kultur & Kulinarik) oder andere Aktivitäten, wie eine

Immer hereinspaziert! Wochentags ist der Verein täglich von 9.00 bis tw. 20.00 besetzt. Foto: Doris
Mehr zu allem derzeit vor allem auf (die Website des Vereins wird gerade überarbeitet).
Achja, und wer am 26. Juli noch nichts vor hat und zufällig in Wien ist: Da steigt das große Geburtstagsfest zum Zweijährigen!
Happy Birthday & auf viele weitere mutige Jahre des Andersmachens!