In Irlands einzigem Ökodorf: Gekommen, um zu bleiben
“Eigentlich wollte ich hier nur Ferien machen. Das war vor drei Monaten”, erzählt uns Barry mit einer Tasse Kaffee in der Hand, während er uns durch The Village, Irlands einziges Ökodorf führt. Wir sind ihm buchstäblich in die Arme gelaufen, als wir gerade etwas planlos auf der Suche nach der “organic bakery” waren. Dass die geschlossen hat, weil der Besitzer zwei Wochen Urlaub macht, ist Pech. Aber das kompensieren wir mit der Extra-Portion Glück, dass wir Barry getroffen haben.
Eigentlich hat er gerade Mittagspause von seiner Arbeit auf der Farm. Eine Stunde genauer gesagt. Die Zeit nimmt er sich, um uns in einem einzigartigen Kaffeetratsch durch das Ökodorf zu führen. Einfach so. Und Euch, Euch nehme ich jetzt einfach dahin mit!“Viele denken, dass sie hier einen Idealzustand vorfinden, wie nachhaltiges Gemeinschaftsleben in Zukunft aussehen soll”, erzählt uns Barry, der selbst aus seiner Heimatstadt Dublin hierher ins ländliche Cloughjordan in Tipperary “geflohen” ist, “stattdessen können wir alle hier noch einen Beitrag leisten.” Seit drei Monaten tut er das auf seine Weise: Er arbeitet auf der Community Farm, hat sich in einer Wohnung eingemietet und wird im Gegenzug von der Gemeinde mit warmen Mittagsmahlzeiten versorgt.
“Aber nicht, dass mich jemand aus Dublin erkennt”, meint Barry mit einem Augenzwinkern, als ich ihn fotografiere. Nein, nein. Deshalb gibt´s ihn nur von hinten. Foto: Doris
“So wie hier hat es beim Kauf des Grundstücks vor fünfzehn Jahren überall ausgesehen”, berichtet Barry von der Geschichte des Eco Villages, während wir über wild wucherndes Unkraut, Blumen und üppige Wiesen schlendern. Erst vor vier Jahren konnten die ersten BewohnerInnen ihre Häuser bauen: Mittlerweile leben 42 Familien in The Village, es gibt einen Gemeinschaftsgarten, kleine Shops und ein Hostel. Bei dem hatten wir auch am Vortag angerufen, um uns ein Bett für die Nacht zu sichern. Keine Chance. “Gerade finden Workshops des VSI (Voluntary Service International) statt”, klärt uns Barry auf, “die haben alle Zimmer gebucht.” Übernachten können wir trotzdem im Eco Village. Kaum betreten wir nämlich die Küche eines Hauses (fragt mich nicht nach dem Besitzer), um uns Kaffee zu holen, wird für uns schon ein Schlafplatz bei einer der Community-BewohnerInnen organisiert. Morgen, denn für heute haben wir schon ein Bed&Breakfast im nahen Ballycommon reserviert.
Mit einer Tasse Kaffee in der Hand ziehen wir weiter: Für Hinsetzen ist keine Zeit, denn Barrys Mittagspause ist bald vorbei, und zu sehen gibt es noch vieles. Zum Beispiel den Gemeinschaftsgarten, wo EinwohnerInnen auf ihrem eigenen Beet Blumen, Obst oder Gemüse anpflanzen können. Können, aber nicht müssen, denn zur Versorgung gibt es noch die Community Farm. Dort können sich die Mitglieder, die vor allem aus den BewohnerInnen von The Village bestehen, einkaufen. Die Erträge stehen mittwochs und freitags in einer Halle zur freien Entnahme zu Verfügung. “Natürlich ist jeder angehalten, wirklich nur so viel zu nehmen, wie er braucht”, erklärt Barry das System, “schließlich soll jeder etwas davon bekommen. Aber kontrolliert wird das nicht.”
Muss es vielleicht auch nicht werden, denn der Idealismus der BewohnerInnen scheint groß zu sein. Oder wie will man sich sonst erklären, dass eine vierköpfige Familie seit zwei Jahren Wind und Wetter trotzend (Irland!) in einem Zelt lebt und nebenbei ihr Haus aus Lehm sowie Stroh mit den eigenen Händen errichtet, nur um die Umwelt nicht durch den Einsatz von Maschinen negativ zu beeinflussen? Oder dass eine Gemeinschaft von um die 100 Personen unterschiedlichster Herkunft in einer Basisdemokratie zusammenleben kann? Umstritten ist das Eco Village dennoch, erzählt uns Barry. Nicht im Dorf Cloughjordan selbst, das friedlich mit The Village zusammenlebt und vom Interesse an den neuen NachbarInnen sogar profitiert. Nein, die Kritik kommt vor allem von außen. Zum Beispiel daran, dass die Häuser in The Village zwar energieeffizient, aber dennoch groß sind und sich nicht jeder leisten kann, im Ökodorf zu wohnen. Oder dass die größte Solaranlage Irlands zwar gebaut wurde, aber sich jetzt nicht im Einsatz befindet: So, wie sie ist, ist sie gefährlich – und für den Umbau fehlt das Geld.
Wir kommen zur Farm. Es ist 14.30 Uhr, unsere Privat-Führung ist zu Ende.
Eine letzte Frage: Wie lange hast du noch vor, in The Village zu bleiben? “Für immer”, kommt von Barry wie aus der Pistole geschossen. “Und übrigens, wir brauchen immer Leute, die mithelfen – auf der Farm und auch so”, dreht sich um und geht zurück zu seiner Arbeit aufs Feld.
Wir sehen uns morgen wieder – bei einem Potluck-Abendessen mit der Community.
Zusatzinfos:
Mehr zum Eco Village gibt´s hier.
Jeden Samstag kann man optional eine Führung durch das Gelände buchen. Darüber hinaus werden Experience Weekends angeboten, in denen Interessierte alles über nachhaltiges Wohnen, erneuerbare Energie, biologisches Essen, traditionelles Handwerk etc. und das Leben in The Village lernen können. Mehr dazu unter: