Klein, aber oho: Von Strand zu Strand in Uruguay
“Diese Banausen”, so schimpft mein Freund Gaston via Facebook-Chat und ich kann seine Empörung die zigtausende Kilometer weiter noch spüren, “die wissen einfach nicht, was gut ist.” Was ihn so auf die Palme gebracht hat? Ich habe ihm sagen müssen, dass in meinem Komplett-Südamerika-Reiseführer tatsächlich nur 10 Seiten seine Heimat Uruguay gewidmet sind: Nach ein paar Wochen im kleinsten aller spanischsprachigen Staaten des Kontinents kann ich ihm in seiner Aussage nur zustimmen, denn Uruguay ist vielleicht klein, aber ganz schön oho!
Nein, über einen Mangel an Sand- und Strand kann sich Uruguay nicht beklagen: 660 Kilometer lang ist die Küste – ganz schön viel für so einen kleinen Staat, oder? Foto: Doris Neubauer
Schöne (Kolonial-)Städte, weiße Dörfer á la Griechenland mit Leuchttürmen, ewig lange Sandstrände entlang der Küste, Surfertypen und natürlich das Meer selbst locken mich – nach Entspannung lechzend – zum Abschluss meiner 7-Monats-Reise nach Uruguay. Und genau die, die Entspannung nämlich, bekomme ich auch. Dafür sorgen zusätzlich die Herbstsonne und die erfrischend leeren Strände, die in der Nebensaison Badevergnügen pur bieten. Nicht einmal um die Tour selbst muss ich mir Gedanken machen, denn die hat sich schon im Vorhinein Paola Perelli, eine Freundin von Gaston und Touristikerin (siehe http://www.lares.com.uy/, gemacht. Sie hat mir eine Route zusammengestellt, die für 10 Tage ideal geeignet ist – folgens- und empfehlenswert! Leicht haben es die 3 Millionen EinwohnerInnen Uruguays nicht sich zu behaupten, wird doch der Kleinstaat ausgerechnet von den Giganten Argentinien und Brasilien umzingelt. Mehr als einmal hab ich mir Geschichten anhören dürfen, wie sie im Ausland schief angeschaut wurden: Uruguay, wo ist denn das? Eine Frage, die mir als Österreicherin durchaus bekannt vorkommt… vielleicht sind mir das Land und seine Leute deshalb so sympathisch. Vielleicht aber kommt die Liebe auch daher, dass ich mich in Uruguay – mehr als in den anderen Ländern Südamerikas - sicher und geborgen fühle. “Hier passiert nie etwas”, meint Gaston, der – selbst schon seit Jahren im Ausland lebend – zum Werbeträger seines Staates wird, den er den “wirklichen Süden” nennt. Jedenfalls geht es in Uruguay weitaus ruhiger, gemächlicher, aber auch ordentlicher und geregelter – fast schon europäisch – zu. Das ist aber nicht die einzige Erinnerung an die gute alte Heimat, die hier ihre Spuren hinterlassen hat: Beleuchtete Gastgärten, Pflastersteinböden, Leuchttürme, weiße Dörfer, Kolonialbauten und überall Pizza, Pasta und Fischtapas lassen mich an Italien, Spanien oder Griechenland denken..
Sonnenauf- und -untergänge lassen sich am Strand gleich noch mal so schön genießen, wie hier in Cabo Polonio. Foto: Doris Neubauer
Los geht die Reise durch Uruguay in Colonia del Sacramento, deren Altstadt UNESCO Weltkulturerbe ist und wo ich mit einem der Schiffe lande, die mit dem Nachbarn Argentinien verbinden. Einen halben Tag oder vielmehr einen Abend verbringe ich in der alten Kolonialstadt, ziehe über die Kopfsteinpflaster von einem Kaffeehaus zum nächsten Restaurant und lasse mich im Kerzenlicht von der magischen Stimmung in Bann nehmen. Dass das Gläschen Wein dazu gehört, das brauche ich wohl nicht extra zu betonen, schließlich ist auch Uruguay für seine alkoholischen Produkte bekannt.
Leuchttürme und malerische Strände – die bleiben mir von Uruguay in Erinnerung, wie hier in San Ignacio. Foto: Doris Neubauer
Am nächsten Tag geht es per Bus – der übrigens mit Wifi ausgestattet ist (!) – nach Montevideo, der Hauptstadt von Uruguay. Auf den ersten Blick kommt sie mir sehr bekannt vor: Alte Gebäude, große Plätze, abseits der Innenstadt viel Grünflächen und eher eine entspannte Ruhe, wie ich sie nur aus Altstädten Europas kenne. Hier ticken die Uhren noch anders, die meisten Leute sind weniger hektisch unterwegs und vor allem hilfsbereit – was sich nicht nur an den Taxifahrern bemerkbar macht, die mir mit meinem Riesenrucksack helfen, sondern auch daran, dass sie mir in der Wäscherei eine Ladung schenken, weil sie eine Stunde zu spät dran waren. “Eine Melancholie liegt über Montevideo”, meint ein Freund, und ich stelle wieder einmal fest, wie sehr mir Städte mit Wasser gefallen. Die uruguayanische Kapitale hat das gleich zweimal: Den Fluss Rio de la Plata und das Meer!
Die Hand im Sand, inoffizielles Wahrzeichen und beliebtes Fotomotiv von Punta del Este. Foto: Doris Neubauer
Apropos Meer, ich ziehe nach zwei Tagen “Großstadt” weiter, schließlich heißt ja der Blog: Von Strand zu Strand in Uruguay. Die Strände muss ich nicht lange suchen, schon im – sehr touristischen und vielleicht wirklich un-uruguayanischen – Punta del Este lassen sie sich leicht finden. Die Stadt selbst ist überteuert und gefällt mir nur bedingt, doch ist sie guter Ausgangspunkt für Tagestouren nach La Barra, San Ignacio oder das Casapueblo, das – an Hundertwasser erinnernde – Haus des Künstlers Carlos Páez Vilaró. Dorthin zieht es mich und unzählige andere Schaulustige vor allem des Sonnenuntergangs wegen, der in dem weißen Gebäude über dem Meer besonders beeindruckend sein soll. Leider muss ich wegen der Wolkendecke auf ein Farbenspiel am nächtlichen Himmel noch bis Cabo Polonio warten. Schon freiwilliger verzichte ich auf das für Punta del Este typische Foto mit der “Hand im Sand”, ein 1982 erbautes Kunstwerk, das mittlerweile zum Wahrzeichen für die touristische Stadt geworden ist.
Das Meeresrauschen und das Knacken der Muscheln unter meinen Füssen – mehr unterbricht die Stille an den Stränden nicht. Foto: Doris Neubauer
“Die uruguayanischen Küstenorte unterscheiden sich bloß im Grad ihrer Ländlichkeit” – so Gaston, und nachdem es mir gerade zur Entspannung nicht ländlich genug sein kann, verlasse ich Punta del Este Richtung La Paloma und La Pedrera. Ersteres ist die letzte Stadt bis nach Brasilien und sieht mich nur kurz, um in der – ebenfalls letzten – Bank an der Küste Geld abzuheben, schließlich kann man sich auf die Automaten nicht verlassen. Den Rest meiner Zeit verbringe ich in La Pedrera und genieße die Leere im Dorf, die Stille und Einsamkeit in den Lokalen. Nur an den beiden Stränden tummeln sich angehende Surfer, ältere Fischer und eben vereinzelt TouristInnen wie ich.
Gutes Essen, guter Wein, herrliche Aussicht… wer sollte dabei nicht entspannen können? Foto: Doris Neubauer
Die ausgelesenen Bücher werden mehr, meine Haut verfärbt sich bräunlich, mein Geist wird mit den Tagen auch immer ruhiger und das gute Essen sowie Trinken hinterlassen ihre Spuren. Keine Frage, Uruguay entspannt mich ziemlich und ist genau das, was ich jetzt gebraucht habe. “Warte, bis du nach Cabo Polonio kommst”, höre ich immer wieder auf meiner Reise, wenn ich von meinem zufriedenen Zustand berichte. Cabo Polonio – der Name des Fischer- und Badeortes hört sich wie ein Versprechen an: Hier gibt es keine Elektrizität, kein Internet, keinen Bankomaten – nur lange Strände, Dünen, in denen man sich verirren kann, und natürlich das Meer. Tatsächlich hat der Ort etwas Magisches an sich, etwas, das ich nicht beschreiben kann: Schon die Anreise am frühen Morgen wird zum Erlebnis. Der Bus setzt mich an einer Kreuzung ab, wo ein 4×4-Laster mich und die anderen FrühaufsteherInnen über Sand und Dünen ins Dorf fährt. Eine Nacht und zwei Tage verbringe ich in dieser Einsamkeit, die ich am Wochenende mit etlichen “Uruguayos” teile, wandere Kilometer durch den Sand bis meine Zehen einen Muskelkater bekommen, trinke Mate mit Künstlertypen und zögere meine Abreise immer weiter hinaus.
Entspannung pur! Vor meinem Hostel in Cabo Polonio… Foto: Doris Neubauer
Doch Cabo Polonio ist nicht der Abschied von den Stränden Uruguays: In Punta del Diablo wartet der Santa Teresa Nationalpark auf mich, ein Park der etwas anderen Art mit Militärstützpunkten und asphaltierten Wegen. Sehenswert ist aber das Fort ”Santa Teresa”, das die Portugiesen 1762 gebaut haben – und natürlich die vielen Campingplätze sowie Strände, die für uruguayanische Familien beliebtes Ausflugsziel sind. Sonst zieht mich das Fischerdorf weniger in seinen Bann, zu viele Häuser sind bereits gebaut und die Rambla mit seinen Restaurants macht es schon fast zur Stadt. Und doch ist es gut, nach der Stille Cabos wieder ein bisschen Hektik zu spüren – entspannt wie ich bin, kann mir die im Moment ohnehin nichts tun. Auf den “Langzeiteffekt” meines Strandhoppings in Uruguay hoffe ich auch für die nächste Zeit: Fünf Tage verbringe ich noch in der Metropole Buenos Aires, bevor es heißt … “chau Sudamerika, bienvenido en Austria”!
Erstveröffentlichung auf tripwolf, 13. April 2012