Kolumbianischer Thermentag: Einmal Abtauchen bitte!
“Du bist diese Temperaturen ja ohnehin gewohnt!” Nicht einmal, nein, unzählige Male haben mich Bekannte und Freunde in den letzten hochsommerlichen April-Tagen mit solchen Worten begrüßt. Um es ein für allemal klar zu stellen: Leute, ich war in Südamerika, nicht in der Sauna! Und glaubt mir, Letztere hätte ich mir des Öfteren gewünscht um mich aufzuwärmen. Der Mythos, dass in Ländern wie Kolumbien, Ecuador & Co. permanent die Sonne scheint und dauerhaft Badetemperaturen herrschen, ist, was es ist: Ein Mythos, mehr nicht! Zugegebenermaßen einer, dem ich auch erlegen bin. Wenn aus Sonne-Strand-Meer nichts wird, wohin geht´s sonst für das romantische Relax-Wochenende? Genau – in die Therme.
Süßes Nichtstun – vom Aufwärmen, Baden, Sprudeln, Abtauchen, Whirlpoolen, Massagegenießen, Gutgehenlassen einmal abgesehen, so habe ich mir das Szenario unseres “heißen” Tages ausgedacht. Kein gewöhnlicher Besuch im Thermenbad sollte es sein, sondern ein ganzer Tag mit Verwöhnprogramm und Übernachtung im Hotel. Inklusive Privat-Therme versteht sich. So der Traum.
Aber zurück zum Anfang. Zwei Thermen standen in Kolumbien zur Auswahl, die Wahl fiel schließlich auf Santa Rosa de Cabal. Nicht nur wegen der Fotos auf diversen Websites, sondern auch, weil ich dort immerhin Antworten auf meine Mail-Anfrage(n) bekommen habe. Wer Kolumbien kennt, der weiß, dass das erwähnenswert ist. Dass die Antwort etwas konfus war, hat mich genauso wenig abgeschreckt wie der horrende Zimmerpreis, der unser Reisebudget doch ganz schön in die Höhe getrieben hat. Mein schlechtes Spanisch ist schuld, dachte ich, und einmal kann man sich ja auch etwas gönnen, oder?! Außerdem sind ja Frühstück, Mahlzeit, Massage und Wifi inkludiert! Also gesagt getan: Ein Doppelzimmer für eine Nacht im Hotel Santa Rosa bei den gleichnamigen Thermen 50 Minuten außerhalb der Stadt Pereira war gebucht.
“Die Thermen sind wegen der heftigen Regenfälle überflutet und somit auf unbestimmte Zeit geschlossen!” Diese Schreckensmeldung kolumbianischer Freunde kurz vor der Abfahrt nach Santa Rosa hat sich zwar gottseidank als “Ente” entpuppt, aber warum sie auf die Idee gekommen sind, wurde gerade auf der letzten Wegstrecke zu den Bädern offensichtlich: Überall hatten die starken Stürme der letzten Tage und Wochen - Regenzeit! – ihre Spuren hinterlassen. Matsch, Geröll von den abfallenden Steinwänden, aufgerissene Sandstraßen, mehr Schlaglöcher als Straße – die Anreise zu den hat es ganz schön in sich. Doch die grünen Berghänge, die im Nebel verschwindenden Hügel machen den Charme der Landschaft aus. Auf die schauen wir und sind froh, überhaupt auf dem Weg zu sein, schließlich wurden wir in der Stadt Santa Rosa etwas ruppig begrüßt: Nach einer Busfahrt von Pereira war die Frage, wie es zu den Thermen, die 20 Minuten etwas außerhalb liegen, weiter ginge. Der Chiva – der öffentliche Bus – war soeben abgefahren, der Nächste erst in einigen Stunden geplant und die Taxis, ja, die Taxis waren unverschämt teuer. Nach einigem Hin und Her haben wir ihn dann aber gefunden, einen Fahrer, der uns für einen angemessenen Preis zu den Bädern gebracht hat.
Vorbei an den öffentlichen Thermen, von denen wir nur das Eingangstor sehen, geht es ein paar Meter weiter – oder 15 Gehminuten – zum Hotel. Der erste Eindruck: Schöne Anlage – wenn sie erst einmal renoviert ist. Im Moment wird der 70er Jahr-Bau hergerichtet, die Gerüste verbergen teilweise den Ausblick auf das aus dem Berg sprudelnden Wasser, einige Gebäude und Pools sind offenbar gesperrt. Überall stehen Bauarbeiter, wird gewerkt und geputzt. Sonst ist alles etwas gespenstisch, weil menschenleer. Aus unserem Zimmer, das oben, unten und seitlich aus Holzwänden besteht und leicht feucht riecht, flüchten wir rasch – ins Wasser, schließlich sind wir dafür auch hergekommen. Dort treffen wir zum ersten Mal auf andere Gäste, KolumbianerInnen, die sich für einen Tag den Luxus der teureren privaten Quelle gönnen, anstatt in die öffentliche – aber günstigere – Therme zu gehen. Planschend vergeht die Zeit, während wir in die Gegend schauen und entspannen: Irgendwie hat das Ganze schon etwas und wäre gleich noch einmal so schön, wären da nicht die seltsamen Rohre, die im Berg verankert sind und aus denen das Wasser herunterprasselt.
Weder Bademäntel noch Handtücher, Fön oder Ruhebereich – kein Problem! Die inkludierte Massage sind ein launisches Streicheln einer offensichtlich wenig begeisterten Dame – macht nichts! Die beiden Whirlpools so heiß, dass die Haut meines Freundes nach zwei Minuten rot zu leuchten beginnt und für die nächsten 15 Minuten so bleibt – ist sicher gesund! Wir sind motiviert, es uns so richtig gut gehen zu lassen. Ein Vorhaben, das uns im vulkanischen Wasser besser gelingt als draußen. Das liegt vielleicht auch daran, dass uns nur im Wasser richtig warm ist: Die Temperaturen im Freien sind bitterkalt, und das Hotel selbst ist – typisch südamerikanisch – nicht geheizt.
Richtig heiß wird es uns aber dann beim Abendessen: Nein, das liegt nicht daran, dass das Menü so großartig war, sondern an der Aufregung. Überall ist plötzlich Wasser. Nicht draußen, sondern drinnen. Der Regen, der am Nachmittag begonnen hat, hat sich in eine Sturzflut verwandelt. Hektisches Personal läuft mit Eimern auf und ab, versucht die Türeingänge zu verstopfen, kommt mit dem Aufwischen nicht mehr hinterher. Und draußen? Draußen im Bad toben seelenruhig ein paar Gäste im Wasser und lassen sich auch nicht stören, als die (künstlichen) Wasserfälle außer Kontrolle geraten. Uns ist das übrigens ebenfalls egal, denn wir haben in der Zwischenzeit ein ganz anderes Problem: Mein Freund glüht, vor Fieber. Mit Müh und Not (und dank der Medikamente des Hausdoktors) schaffen wir es ins Bett und wollen nur noch schlafen.
Am nächsten Tag ist alles vorbei: Sowohl der Sturm als auch die Grippe meines Liebsten. Vor allem aber unsere Lust an einem weiteren Thermenbesuch… fürs Erste zumindest!
Anmerkung:
Wer jetzt übrigens denkt, dass das Thema Termales und ich damit abgehakt war, nein, nein: Ich habe den Quellen Südamerikas noch eine zweite, ja, eine dritte und vierte Chance gegeben. Denn sie sind tatsächlich ein Geheimtipp, weniger, um Mit-Reisende zu treffen, sondern um das Leben der Einheimischen kennen zu lernen. Und die Thermen in Papallacta, Ecuador, sind tatsächlich sehr entspannend.