Manoj, der Tempelstürmer von Orchha
“I am a Barbie girl, in the Barbie world…”, tönt es aus dem Handy, aus dem uns zuvor schon Britney Spears entgegen gekreischt hat. “Hare Hare Krishna Krishna”, singt Manoj währenddessen und hüpft voller Freude im Kreis. Sein Musikgeschmack sucht seinesgleichen und ist definitiv nicht für meine Ohren bestimmt, aber wenigstens hat er so richtig Spaß. Unverkennbar! Wie ein Rumpelstilzchen hüpft der junge Inder in orangem T-Shirt, Khakihose und einem für die Zahnarzt-Werbung gedachten Lächeln mal auf ein Bein, dann aufs Nächste und stößt dabei ziemlich hoch kicksende Kichergeräusche hervor. Zuviel Gras erwischt? Oder ist das einfach indische Leichtigkeit? Ich möchte von niemandem Böses annehmen – Karma, Ihr versteht – von Manoj schon gar nicht. Schließlich haben wir es ihm zu verdanken, dass wir gerade einen vierzig minütigen Höhepunkt unserer ersten drei Tage in Indien erlebt haben. Und das will bei der Konkurrenz von Taj Mahal und Co. etwas heißen!

Group picture. Foto: Manoj
Drei Worte in Hindi musste unser Shanti-Travel-Begleiter David bloß sagen – und schon war klar: Wir waren Manoj´s Freunde! Und Freunde führt der Guide gern durch den Chaturbhuj Tempel in Orchha in Madhya Pradesh. Der erste Stock ist schon spektakulär. Von ihm hat man durch spitz zu geschwungene Fenster Blick auf die weiteren Tempel und Paläste, die mitten im und rund um das Dorf in Fußreichweite zu finden sind. Doch das ist erst der Anfang.

Farbenpracht am Marktplatz vor dem Tempel. Foto: Doris

Opfergaben im Tempel. Foto: Doris

Blick aus dem 1. Stock nach unten. Es soll noch höher gehen. Foto: Doris
Manoj führt uns weiter – und ich merke mir: Nimm in Indien immer deine Stirnbirn (Stirnlampe) mit! In den schmalen, dunklen Gängen des Tempels könnte ich sie in jedem Fall brauchen, muss mich für heute aber mit den schmalen Lichtstrichen begnügen, die aus Manoj´s Lampe und von Davids iPhone kommen. Achtung, Kopf! Mir kann ja bei der niedrigen Höhe dank meiner Körpergröße wenig passieren, den Indern offenbar auch nicht – andere haben da sicher ihre Schwierigkeiten. Genauso wie mit den hohen Steintreppen, die mir jetzt schon den morgigen Muskelkater in meinen Oberschenkeln erahnen lassen. Zweiter Stock: Noch bessere Aussichten auf die umliegenden imposanten, teils verfallen und mit dem Grün der Natur verwachsenen Gemäuer.“This is the last good picture spot”, sagt Manoj, hickst vergnügt und deutet uns auf dem Boden Platz zu nehmen, um ein Foto vom Ausblick zu machen.

The last good picture spot?! Denkste! Foto: Doris
Stimmt doch gar nicht! Manoj führt uns nämlich noch weiter, in ungeahnte Höhen: Auf das Dach des Tempels – und nein, das ist natürlich nicht ganz legal. Aber wer fragt schon danach? Manoj Chef jedenfalls scheint ein Auge zuzudrücken und sich nicht groß darum zu kümmern, wohin sein Mitarbeiter Touristen bringt. Und wir? Nein, wir sagen garantiert nichts, wir sind buchstäblich sprachlos. Schuld daran ist der Ausblick, der uns auf dem Dach erwartet. Die schwarz-braunen Türme mit ihren Gräser-“Haaren“, die im Wind wehen und auf deren Seiten riesige Bienenstöcke hängen; die düstere, vom baldigen Regen verhangene Luft – die Stimmung ist unbeschreiblich.

Manoj´ist die Freude über das Bild ins Gesicht geschrieben. David weniger Foto: Doris

Blick vom Dach auf Orchha. Foto: Doris

Ein Besucher auf dem Dach! Foto: Doris
Zwanzig Minuten Staunen, Posen, Plaudern, Fotos Schießen, Singen und Tanzen (das war vor allem Manoj´s Part) … später steigen wir wieder hinunter. Die Dämmerung ist in der Zwischenzeit angebrochen und sorgt für unglaublich mystisches Licht in den dunklen Steinmauern. Als wäre das nicht schon genug gesellen sich jetzt auch Affen in den Tempel und lenken damit die Aufmerksamkeit von den Indern, die sich langsam hier zum Gebet versammeln. Und Manoj? Der hat mittlerweile dankbar sein wohlverdientes Trinkgeld in Empfang genommen, uns seine Business Card in die Hand gedrückt und das Versprechen abgenommen, ihm jeden Beitrag über ihn oder/ und den Tempel zu schicken. Mach´ich doch glatt, Manoj!

Eine Affenshow! Foto: Doris

Die Farben sind bei Dämmerung wirklich so. Foto: Doris

Wenn auch unscharf – die Inder verlassen den Tempel wieder nach dem Gebet. Foto: Doris
Auch wenn du mich am nächsten Tag schon etwas enttäuscht hast: Da schauten wir nämlich vom gegenüberliegenden Palast auf den Tempel hinüber und siehe da: Jede Menge Menschen tobten auf dem Dach. Warte mal, tönte da aus der Ferne etwa “I am a Barbie girl…”?!

Am nächsten Tag: Und ja, da sind noch andere oben – mit Manoj vermutlich. Foto: Doris
Ach ja, sobald mir David die drei magischen Hindi-Worte verraten hat, erfahrt Ihr es als Erste. Versprochen! Sie scheinen ja so etwas wie das “Simsalabim” Indiens zu sein, bringen sie einen doch in wahrlich ungeahnte Höhen. Und wenn Ihr in die Gegend von Orchha kommt, vergesst nicht, bei Manoj vorbeizuschauen und ihm einen schönen Gruß auszurichten.
Offenlegung: Ich bin 14 Tage mit Shanti Travel auf Blogtrip. Herzlichen Dank für die Einladung. Die Meinungen und Ansichten in der Geschichte bleiben meine eigenen.