Mein Blind-Date mit Bären

Verdammt, wie war das jetzt noch gleich?! Muss ich laufen? Oder doch stehen bleiben? Wegschauen oder in die Augen starren? Die letzten Tage habe ich die ganze Zeit via , und darüber geblödelt, wie man sich bei der Begegnung mit wilden Tieren – von Elchen, Rentieren und Bären war die Rede – hier in Alaska zu verhalten hat und mich darüber beschwert, kein einziges davon selbst gesehen zu haben.

Wildlife auf dem Weg. Foto: Doris

Das war bisher beinah das einzige “Wildlife” … bis Valdez! Foto: Doris

“When you see a bear, tell him your address and name. Then you know what to do”, hat uns unsere allererste Gastgeberin Debbie schon in Anchorage mit auf den Weg gegeben. Samt Bärenspray, wohlgemerkt. Und angekommen im Denali Nationalpark wurde immer wieder darauf hingewiesen: “If you see a moose, run! If you see a bear, don´t run!” Oder war es doch umgekehrt? Regeln, wie man sich bei der Sichtung eines Bärens zu verhalten hat, finden sich auch in jedem Alaska-Booklet. Dass ich diese Tipps einmal brauchen könnte, damit hab ich aber wohl am wenigsten gerechnet. Und jetzt das…

Bärenspray gehört hier zur Grundausstattung. Foto: Doris

Bärenspray gehört hier zur Grundausstattung. Foto: Doris

Ich erstarre. Mein Herz pumpert so laut, als wollte es herausspringen. War das jetzt… nein, das kann doch jetzt kein Bär sein, der mir da auf dem Weg entgegen kommt! Ich muss mich geirrt haben! Ich MUSS mich einfach geirrt haben.

Da wars noch friedlich - kein Bär in Sicht. Foto: Doris

Da wars noch friedlich auf dem Mineral Creeks Trail  – kein Bär in Sicht. Foto: Doris

Zum ersten Mal seit Tagen bin ich allein, habe mich von meinem Reisepartner Ingo abgeseilt, um ganz für mich die Natur zu erkunden. Nach der siebenstündigen Fahrt von Fairbanks nach Valdez (spricht man “Waldies” aus), die uns vor allem auf den letzten 34 Meilen mit einem Spektakel nach dem anderen belohnt hat, brauche ich frische Luft.

Wir sind bei Regen gestartet - wie gut, dass wir später doch noch Sonne hatten. Foto: Doris

Wir sind bei Regen auf unserem Roadtrip gestartet – wie gut, dass wir später doch noch Sonne hatten. Foto: Doris

Schon die Tage zuvor haben uns Bekannte in Fairbanks empfohlen, auf dem Mineral Creeks Trail entlang zu wandern und die Wasserfälle ringsum zu bestaunen. Genau das mache ich – zumindest schnuppere ich hinein, denn in meinen zwei Stunden Zeit schaffe ich die über 6 Meilen des Trails natürlich nicht.

Unzählige Wasserfälle kann man am Mineral Creek Trail sehen. Foto: Doris

Unzählige Wasserfälle kann man am Mineral Creeks Trail sehen. Foto: Doris

Wir haben weniger als 24 Stunden in Valdez, und ich möchte diese so gut wie möglich nutzen, um den Ort kennen zu lernen, wo 1989 der lecke Tanker Exxon Valdez die schlimmste Ölkatastrophe in der Geschichte der USA hervorgerufen hat. Von der ist hier nur wenig spürbar, soll es nicht sein – auch wenn die Umweltverschmutzung laut Zeitungsberichten längst nicht beseitigt wurde.

Der Hafen von Valdez, den wir von unserem Zimmer im Best Western Hotel aus sehen. Foto: Doris

Der Hafen von Valdez, den wir von unserer Unterkunft, dem Best Western Hotel aus sehen. Foto: Doris

In Valdez nimmt alles seinen gewohnten Lauf: Für die nahen Gletscher nehmen TouristInnen die ewige Fahrt in Kauf und nutzen sie als begehrtes Fotomotiv; Angebote wie Heli-Skiing bis Rafting, von Lachs-Fischen bis zu Wildlife-Expeditionen treiben den Adrenalinspiegel nach oben; der über 80jährige Stan Stephens bringt Interessierte tagein, tagaus mit seinen Cruise-Schiffen auf See und erzählt dieselben Geschichten wie vor zig Jahren. So wurde es uns jedenfalls gesagt. Erleben werden wir nichts davon – die Zeit, ach, die liebe Zeit …

Der Worthington Gletscher liegt auf dem Weg - so nah kommen manche ran. Foto: Doris

Der Worthington Gletscher liegt auf dem Weg – so nah kommen manche ran. Foto: Doris

Statt Heli-Skiing heißt es für mich also Mineral Creeks Trail: Dass der mich genauso schwitzen und bibbern gleichzeitig lässt wie jede Extremabfahrt liegt nicht am Pfad selbst, auch nicht daran, dass ich gleich zu Beginn desselben durch eiskaltes Wasser waten muss – sondern an dem dunklen Etwas, das ich gerade am Wegesrand entdeckt habe und das in meine Richtung trollt. Ein zweiter vorsichtiger Blick ums Eck, doch nein, es besteht kein Zweifel: Ein Schwarzbär, eindeutig!

Begrüßungskomittee zu Beginn des Trails. Foto: Doris

Das Begrüßungskomittee zu Beginn des Trails war mir lieber als der Bär später. Foto: Doris

Der Weg beginnt mit: Schuhe aus und durch. Foto: Doris

Der Weg beginnt mit: Schuhe aus und durch. Foto: Doris

Gedanken spielen verrückt, überschlagen sich, und ich sehe mich schon von einem Bären attackiert auf der Straße liegen. Zerfleischt. Blut überströmt. Tage später erst von Wanderern gefunden. Soll ich laufen? Ein Foto schießen, ein allerletztes in meinem Leben?! Warum funktioniert hier mein Handy nicht!? Wo ist dieser blöde Bärenspray, wenn man ihn braucht?! Und warum müssen meine Wünsche ausgerechnet immer dann in Erfüllung gehen, wenn ich sie am wenigsten brauche?!?

Zu spät: Der Bär war schneller! Kaum hat mich der nämlich erspäht, springt er auch schon ins Gebüsch und ist verschwunden. Glaube ich zumindest, denn ich traue mich nicht hochzuschauen. Geduckt und gesenkten Blicks gehe ich an der Stelle vorbei, werde immer schneller, will nur noch zu meinem Auto – und verspüre plötzlich ein unglaubliches Hochgefühl. Wahnsinn, ich bin einem Bären in freier Wildbahn gegenüber gestanden!!

Ich könnte die ganze Welt umarmen vor Glück bei solchen Anblicken. Foto: Ingo Busch

Nach dem Schock ein Hochgefühl. Ich könnte die ganze Welt umarmen vor Glück! Foto: Ingo Busch

Und nicht einmal dem Letzten für heute: Zwischen 5.00 und 8.00 Uhr morgens bzw. 6.00 und 8.00 Uhr abends kommen Schwarzbären entlang der nahen Dayville Road in Valdez zum Lachs-Fischen. Wir haben sie gesehen: Aus sicherer Entfernung und durchs Auto geschützt hat mein Herz diesmal auch ein bisschen weniger gerast als noch ein paar Stunden zuvor am Wanderweg.

Und wer weiß, vielleicht war ja sogar “mein” Schwarzbär vom Mineral Creeks Trail einer der beiden…

Wir haben sowas von Glück: Gleich zwei Bären kommen vor unsere Linse. Foto: Ingo Busch

Wir haben sowas von Glück: Gleich zwei Bären kommen vor unsere Linse. Foto: Ingo Busch

Der Bär hat Hunger... Lachse bringt Euch in Sicherheit. Foto: Ingo Busch

Der Bär hat Hunger… Fische bringt Euch in Sicherheit. Foto: Ingo Busch

Bären-Spotting an der Dayville Road. Foto: Ingo Busch

Bären-Spotting an der Dayville Road. Foto: Ingo Busch

 

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Offenlegung: Herzlichen Dank an Condor für die Unterstützung bei den Flügen, an Airbnb und Best Western für Übernachtungs-Gutscheine sowie an die Regionen Anchorage und Fairbanks für den Support.

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