Moneyless Living: Ohne Geld geht´s auch
Na klar, wieder so ein Verrückter! Der ist doch nicht von dieser Welt! Wie soll denn das gehen? Das sind nur einige der – harmloseren – Gedanken, die mir durch den Kopf geschossen sind. Auslöser dafür? Eine BBC-Schlagzeile. “The American who quit money to live in a cave” lautet sie und berichtet von Daniel Suelo, der sich einem besonders alternativen Lebensstil verschrieben hat: Er lebt in einer Höhle in Utah, ernährt sich von Pflanzen und überfahrenen Tieren. Einsiedler ist er dennoch nicht, im Gegenteil: Der ehemalige Koch lässt alle bloggend an seinem Leben teilhaben. Ein Leben ohne Geld. Und das seit 12 Jahren.*
Und mit seiner Idee ist Daniel nicht allein! 10 weitere Personen weltweit listet die Website http://moneyless.info, die sich ebenfalls einem Leben ohne Geld verschrieben haben – und das sind wohl nur die, von denen man weiß. Einer davon ist der Finne Tomi Astikainen, dessen Heimat jedoch statt der Höhle die Straße ist. Vom Low-Budget-Traveller ist er 2010 zum No-Budget-Traveller geworden – und hat mir erzählt, wie und vor allem warum er das macht…
Wie kamst du auf die Idee, ohne Geld zu leben?
Ich wollte kein System unterstützen, bei dem jeder Cent in meiner Tasche die Schulden eines anderen ist. Ich bin nicht religiös, aber ich bin mit der Goldenen Regel einverstanden und würde nicht auf Kosten anderer reich werden. Ich habe mir Zukunftsvisionen wie Ressourcenbasierende Wirtschaft angesehen und verstanden, was für die Menschheit alles möglich wäre, wenn das Geld nicht im Wege stünde. Als ich mit meinen Freunden darüber geredet habe, haben sie mich gefragt, warum ich denn nichts dagegen täte. Und da habe ich beschlossen, die Veränderung zu sein, die ich in der Welt suche. Ich habe im Grunde genommen nur damit begonnen, ohne Geld zu leben, um Mundpropaganda gegen das derzeitige System und für eine Alternative namens Schenkökonomie zu machen. (Mehr dazu bei den FAQs auf seiner Website).
Wie reist es sich ohne Geld?
2009 war ich noch ein Low-Budget-Traveller. Ich musste sehr aufpassen, wie ich mein Geld benutzte, um es nicht zu rasch aufzubrauchen. 2010 wurde ich zum No-Budget-Traveller und plötzlich war alles möglich. Die einzige Herausforderung ist nur, dass man in manchen Ländern noch immer einen Pass, in anderen sogar ein Visum braucht. Glücklicherweise hatte ich einen Pass, aber ich war auf die Staaten beschränkt, in denen ich für ein Visum nicht zahlen musste. Wenn ich in Zukunft aus anderen Gründen als den puren Selbstzweck reise – zum Beispiel, um ein anderes Buch zu schreiben – ändere ich vielleicht meine Prinzipien und Visa kaufen. Oder ich verbrenne meinen Pass und reise nur noch im Inneren.
Was sind deine 5 Tipps für ein Leben ohne Geld?
1. WARUM? – Sei dir selbst darüber klar, warum du das tust. Es geht nicht darum, Geld zu sparen oder gratis zu reisen. Wenn deine persönlichen Prinzipien nicht klar sind, wirst du dich am Ende schlecht fühlen.
2. WANN? – Mach dir bewusst, ob du das Ganze als Experiment siehst oder dein Leben für immer verändern möchtest: Wenn du dir ein Jahr fürs “Leben ohne Geld”-Projekt nimmst ist das genauso gut wie auf unbestimmte Zeit ohne Geld zu existieren.
3. WIE UND MIT WEM? – Jeder hat seinen eigenen Weg. Manche möchten 100% selbst-versorgend sein, andere möchten reisen und unter Menschen gehen. Es gibt genauso viele Lebensweisen ohne wie mit Geld. Du musst dich also entscheiden, ob du von deinem neuen Lebensstil erzählen möchtest oder es nur für dich allein betreiben möchtest.
4. WAS? – Setz dir deine eigenen Grenzen, innerhalb derer du dich wohl fühlst. Dumpster diving, Couchsurfing, Hitchhiking, Reste essen (Table diving), um Nahrung bitten, camping, radfahren, zu Fuß gehen – es gibt so viele Arten, es zu praktizieren. Es liegt an dir, was du tun willst.
5. Wähle Liebe statt Angst.
Was würdest du jemanden raten, der ein Leben ohne Geld beginnen möchte?
Ich würde ein Leben ohne Geld nicht jedem empfehlen, weil es keine Lösung ist – für nichts. Es rettet nicht die Welt. Du solltest es nur als Herausforderung für dich selbst sehen, einmal außerhalb die sozialen Normen zu treten und dich weiterzuentwickeln. Aber sei gewarnt: Es kann ganz schön anstrengend sein, jederzeit in Frage gestellt zu werden. Du kannst all das, was ich erzählt habe, auch erreichen ohne gleich in Extreme zu gehen. Lass einfach ein paar Dinge los, die dir Sicherheit im Leben geben und sieh jeden Tag als neues Abenteuer – das ist schon Herausforderung genug.
Ich habe jedenfalls gelernt, dass ich nicht hier bin, um die Welt zu ändern, sondern dafür, dass die Welt mich verändert. Wer auch immer das gesagt hat, war eine weise Person. Ich begegne dem Leben jetzt mit mehr Humor, nehme es leichter, egal, wie schwer die Umstände im Außen auch scheinen. Und ich gebe das weiter, in dem ich Geschichten erzähle. Was du tust, das ist aber deine Sache.
Was waren deine besten Erfahrungen aufgrund dieses Lebenstils?
Während der letzten Jahre haben sich die Reaktionen der Menschen merkbar geändert. Es gibt noch immer Leute, die ihre eigenen Ängste und Probleme auf mich projizieren und jemanden verbal attackieren, der das Erd- und Menschen zerstörende System nicht unterstützt. Aber die meisten Menschen stimmen mir zu, auch wenn sie von einem anderen Hintergrund kommen. Es scheint, dass die sogenannte Wirtschaftskrise die Augen der Leute geöffnet hat, und sie jetzt verstehen, dass wir ein anderes Wertesystem benötigen und völlig neue Wege brauchen, um mit einander umzugehen und vor allem um Waren zu verbreiten, damit wir den Bedarf von allen decken.
Was hat dich am meisten am Leben ohne Geld überrascht?
Am meisten hat mich überrascht, dass es funktioniert. Gerade in ärmeren Ländern wirst du mit einer unvorhersehbaren Gastfreundschaft und Hilfe Fremder konfrontiert. In der westlichen Welt kannst du ganz leicht von der köstlichen und reichhaltigen Verschwendung der Leute leben.
Danke, Tomi, fürs (Mit)Teilen!
Filmtipp:
“Living withouth money”, ein Film über die Deutsche Heidemarie Schwermer, die seit 1996 ohne Geld lebt und darüber mehrere Bücher verfasst hat (u.a. )
Und noch ein Filmtipp: Ohne Geld bis ans Ende der Welt
Buchtipp:
*Das Buch zu Daniels Leben “The Man Who Quit Money” von Mark Sundeen ist gerade erschienen.
Mark Boyle war 19 Monate als No-Money-Traveller unterwegs, hat das Buch “The Moneyless Man” geschrieben und eine Freeconomy Community gegründet.