Ökozentrum auf Cres: Erfolgsgeschichte adé?!

“Nächstes Jahr hätten wir unser 20jähriges Bestehen gefeiert”, Goran Susic, Präsident und Gründungsmitglied der Nonprofit-Organisation “Research – Educational Center for Nature Projects” sitzt mir im eko-centar Caput Insulae Beli auf der kroatischen Insel Cres gegenüber. Von Stolz geschwellter Brust keine Spur, stattdessen sieht man dem grau bärtigen ehemaligen Leiter des ornithologischen Instituts in Zagreb seine Verzweiflung schon von Weitem an. Denn mit 1. Oktober muss das bisherige Öko-Erfolgsprojekt, das 1993 mit der Rettung der fast ausgestorbenen Gänsegeier begonnen hatte, das Feld räumen. Ob und vor allem wo das 6-köpfige Team und seine zahlreichen freiwilligen HelferInnen auf Zeit die Arbeit fortsetzen kann, das ist ungewiss.

Endlich keine Campingplätze, auf deren betonierten Straßen ab 6.00 früh mehr Verkehr von Müllwägen, Transportern und Lastwägen herrscht als auf den Hauptstraßen selbst. Keine organisierten Parkplätze vor der Stadt, die aufgrund der Massen an BesucherInnen aus allen Nähten platzen. Nein, die Gegend rund um das Dorf Beli im Norden der kroatischen Insel Cres ist anders: Wer noch etwas Ruhe, Natur und ein bisschen Alternativtourismus möchte, findet beides genau hier in der Region Tramuntana.

“Wir haben Beli bekannt gemacht”, erzählt mir Goran. 1993 ist er mit seinem Team ins Gebäude einer ehemaligen, 1929 von Mussolini gegründeten Volksschule im Dorf gezogen. Leer stand das Prachthaus ohnehin, nachdem sich die Bevölkerung Belis seit 1945 von 1.300 auf rund 40 Personen minimiert hatte. Von März bis Oktober konnten sich jährlich zirka 10.000 BesucherInnen seither im Zentrum über die einzigartige Landschaft und die Artenvielfalt im Gebiet informieren: Ein botanischer Garten, ein Feen-Haus, Osiris´ Vegetations-Labyrinth, diverse out- und indoor-Ausstellungen haben Kleinen und Großen einen anderen Einblick auf Cres geboten – einen, den man normalerweise auf dem Strand und im Meer weniger entdecken kann. Dasselbe ist auch auf den sieben Öko-Wanderwegen möglich, die rund um Beli von der Organisation und ihren zahlreichen Ehrenamtlichen aus aller Welt gebaut und vor allem gewartet wurden. Das Kernstück der Arbeit ist aber der Schutz und die Erhaltung der Gänsegeier. Als die NPO ihre Arbeit aufgenommen hatte, waren die seltenen Vögel auf einen Bestand von 24 minimiert – mittlerweile gibt es wieder über 80 von ihnen, nicht nur in der Station im Zentrum, sondern vor allem in freier Wildbahn. Das Research – Educational Center for Nature Projects kann auf eine 19jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken.

Eine, die jetzt ein jähes Ende findet! “Vor rund einem Monat hat das Hotel Tramuntana begonnen, TouristInnen mit Booten zu einem Strand zu bringen, an dem Gänsegeier ihren natürlichen Lebensraum haben, und dort Tag und Nacht zu unterhalten”, schildert Goran mit Blick auf das Nachbar-Gebäude und fügt hinzu: “Vier Gänsegeier haben wir deshalb schon mehr tot als lebendig aus dem Meer fischen müssen. Zwei davon konnten wir nicht mehr retten.” Dass das zwar illegal war, aber unter Genehmigung der Behörden in der Hauptstadt Cres der gleichnamigen Insel vorgefallen ist, ist umso bedenklicher. Seit 1995 stehen die beiden Gebäude des eko-centars und des Hotels nebeneinander. Unterstützt hat man sich zwar nicht, aber immerhin war ein Nebeneinander möglich. Das scheint jetzt vorbei. “Mit Massentourismus kann man eben mehr Geld verdienen als mit einem Öko-Zentrum, das nur Auflagen zum Schutz der Natur hat”, meint Goran zerknirscht und erzählt von der Geräuschbelästigung der Tiere durch laute Musikfeste des Hotels nach Mitternacht oder davon, wie dem eko-centar Kontrollbehörden auf den Hals gehetzt wurden. “Wir haben bisher unsere Kosten durch die Eintrittskarten für das Zentrum und den Verkauf von Souvenirs getragen”, berichtet mir der Ornithologe, dessen Projekt weltweit anerkannt ist, “aber als NPO dürfen wir nur verkaufen, was wir selbst produziert haben. Normalerweise drücken die Behörden bei sozialen Organisationen ein Auge zu. Nicht bei uns.”

Bisheriger Höhepunkt des Kampfes zwischen Massentourismus und Naturschützer ist der Hinauswurf aus dem Schulgebäude, das nicht nur Heimat für die arbeitenden Freiwilligen ist, sondern auch die Station für Gänsegeier, Schafe und Esel beherbergt. Nachdem im Herbst 2012 seit Jahren wieder mehr als fünf Kinder in Beli in einem schulpflichtigen Alter sind, muss das eko-centar das Gebäude räumen. “Wir haben vorgeschlagen, nebenan ein Haus mit Klassenräumen für die sechs Kinder zu bauen”, erzählt mir Goran, “doch dieser Vorschlag wurde abgelehnt.” Wieso man für eine Schulklasse ein zweistöckiges Gebäude benötigt, das jetzt Wohnungen für mehrere Personen sowie andere Räume bietet, sei dahin gestellt.

Fakt ist: Die Nonprofit-Organisation muss sich ab 1. Oktober eine neue Bleibe suchen. Ob das möglich ist und wo diese sein könnte, ist ungewiss. “Vielleicht übersiedeln wir auf die Nachbarinsel Krk”, berichtet Goran, während er sich ratlos umschaut, “dort gibt es Unterstützung, und wir hätten auch einen Platz für das Institut. Aber ob wir uns die Übersiedlung leisten können, das weiß ich nicht.” Die Frage, wie viel der Abbau und Transport der Geräte, der Ausstellungsräumlichkeiten, aber vor allem der Greifvogelstation kostet, kann er nicht beantworten. “Es ist einfach zu schwierig, sich diese Dimensionen überhaupt vorzustellen”, meint er, bevor seine Augen plötzlich aufblitzen: “Aber wir werden weiter kämpfen.”

Weitere Informationen über die NPO: http://www.supovi.hr

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