Ostseeküste: Polen po morze*
„Fährst mit zum Heineken Opener Festival?“ Diese Frage einer Freundin war der Startschuss für eine Reise buchstäblich ins Ungewisse. Opener Festival, ja, okay, hört sich ganz nett an. Außerdem bietet es die Gelegenheit, davor wieder einen Abstecher nach Berlin zu machen, schließlich ist das polnische Gdynia, Schauplatz des Ganzen, „nur“ 8 Autostunden von der deutschen Hauptstadt entfernt. Konzerte gut und schön, aber was tut man bzw. in diesem Fall frau, wenn das Festivalgelände – ob der echt mehr als mangelhaften Organisation – erst so um 16.00 aufsperrt und die Sonne schon ab 7.00 morgen Schlafen unmöglich macht?
Sopot Pier. Foto: Doris
Tja, da haben wir in diesem Fall Glück, denn Gdynia liegt direkt an der angeblich schönsten Ostsee-Küste: Und so heißt es Polnisches Meer, wir kommen!
*Von Po Morze, was slawisch „am Meer“ bedeutet, stammt der Name für das Küstenland Pommern, in dem Gdynia (deutsch: Gdingen) samt den zwei Städten Sopot (dt. Zoppot) und Gdansk (Danzig) die Wirtschaftsregion Dreistadt bildet. Gdyniaselbst bezaubert nicht gerade durch seine Schönheit. Wer wirklich Lust auf Stadtbesichtigung hat, dem kann ich nur Danzigans Herz legen: Die alte Handels- und Kulturstadt, die ja im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurde, erlebt – so die „Insider“ – gerade ihren zweiten Frühling. Apropos Frühling: Angeblich ist das ja die beste Jahreszeit, um nach Danzig zu kommen. Klar, abseits der Touristensaison! Doch wir sind hier im Juli, bei brühender Hitze, die wirklich mehr Lust auf Strand als auf Stadtausflug macht. Noch besser ist, beides miteinander zu verbinden: Sopot, die dritte Stadt im Bunde, war nämlich einst das vornehmste Seebad an der gesamten Ostsee-Küste – und das spürt man heute noch. Hier ist man übrigens auch durch bewaldete Höhenzüge (Zoppot heißt „unterm Berg“) den Ort vor dem Wind schützen, der sonst die Gegend spürbar kühler macht. Was bei Temperaturen über 30 Grad aber an sich ja nichts Schlechtes ist, im Gegenteil. Abkühlung kann man sich aber ohnehin auch in der Ostsee verschaffen, wobei gleich beim ersten „Zehen ins Wasser stecken“ klar wird: Also wirklich salzig ist dieses Meer aber nicht…
Das sind aber noch nicht alle Reize der Danziger Bucht, in der übrigens – Geschichtsfans werden es wissen – am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg begann. Dort hat nämlich das deutsche Linienschiff Schleswig-Holstein in den frühen Morgenstunden das Feuer auf Danzig eröffnet. Davon merkt man als Tourist nur etwas, wenn man im wahrsten Sinn des Wortes untertaucht: Am Meeresgrund erinnern nämlich noch zahlreiche Wracks an die ersten bzw. letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs. Besonders sind sie um die Spitze der nahen Halbinsel Hel zu finden. Klar, dass Wracktauchen dort eine beliebte Freizeit-Beschäftigung ist!
Doch auch an der Oberfläche kann man auf Hel, einer 35 Kilometeer langen Landzunge, die die Danziger Bucht teilweise von der Ostsee trennt, einiges entdecken: In Chalupy/ Ceynowa, das normalerweise vor allem bei FKK Badern beliebt ist, darf man in der zweiten Juli-Hälfte bei einer Regatta mit alten Fischer- und Segelbooten anfeuern. Und im beliebtesten Badeort der Insel, dem Ferienort Jurata (benannt nach der Königin des Meeres) kann man – wenn man Glück hat – sogar dem polnischen Präsidenten mit seiner Familie begegnen.
Neben ähnlich überfüllten Touristenorten lockt die Insel Wollin, die sozusagen am anderen Ende der Küste, nahe derdeutschen Insel Rügen, mit menschenleeren Stränden und intakter Natur. Aber da sind wir ja schon auf unserer „Heimreise“ Richtung Berlin. Dabei gäbe es in Pommern noch sooo viel zu entdecken: Die Wanderdünen der kleinen Stadt Leba zum Beispiel, die angeblich der Sahara in nichts nachsteht. Oder die Kreuzritter-Burg in Malbork (Marienburg). Oder auch die Original Rügenwälder Teewurst im gleichnamigen Ort, Rügenwald – wobei, auf Letzteres könnte ich noch am Ehesten verzichten. Beim nächsten Mal! Achja, die Konzerte und die Abend-Stimmung beim Opener Festival waren übrigens großartig!
Erstveröffentlicht auf tripwolf, am 12. August 2010