Potsdam – oder „Des Kaisers neue Kleider“
Zugegeben, mit dem Märchen von Hans Christian Andersen über den leichtgläubigen Kaiser, der sich von zwei Betrügern für viel Geld neue Gewänder weben lässt, um erst später festzustellen, dass es diese gar nicht gibt und er nackt in der Menschenmenge badet, hat Potsdam jetzt wenig zu tun. Womit es aber viel zu tun hat, ist königlicher Prunk, Pracht, Überfluss – und ja, auch ein bisschen Eitelkeit.
Das Bild, das Potsdam bis heute für Touristen von nah und fern prägt, ist das seiner Schlösser und Gärten – allen voran das wohl bekannteste, nämlich Sanssouci. Und ja, das gehört – genauso wie das Neue Palais – zu einem Pflichtbesuch in der Hauptstadt von Brandenburg. Daneben reihen sich die Neuen Kammern, Schloss Cecilienhof oder Schloss Babelsberg ein. Seit kurzem sind im Norden der Stadt, von der große Teile von der UNESCO als Welterbe anerkannt wurden, auch wieder das im römischen Stil erbaute Schloss Belvedere auf dem Pfingstberg zu besichtigen genauso wie das Krongut Bornstedt, ein ehemaliges Mustergut der Hohenzollern. Eng verbunden mit diesem Prunk stolpert man in Potsdam immer wieder über einen Namen: Friedrich II., der Große. Er machte Stadt zum Residenzsitz und hat gemeinsam mit dem Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff ganz Potsdam seinen Stempel aufgedrückt.
Zuvor war Potsdam unter Friedrich II.´s Vater, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., vor allem ein wichtiger Garnisonsstandort und die Gebäude – unter anderem das Stadtschloss, die Garnisonskirche, St. Nikolaikirche und das Militärwaisenhaus – waren mehr nützlich als schön. Das änderte sich mit Friedrich II., der sich selbst als Philosoph sah, die Gedanken der Aufklärung schätzte und dem französischen Sonnenkönig Ludwig IV. Konkurrenz machen wollte. Sein Sommersitz Schloss Sanssouci und sein Hauptschloss, das Neue Palais, blieben auch in dem alliierten Bombenangriff 1945 unbeschädigt, der das Stadtzentrum Potsdams massiv beschädigte, und erfreuen so noch heute das Auge der Besucher.
Erhalten blieben auch das Gebiet um den Neuen Markt, nördliche Teile der Altstadt und das Holländische Viertel. Letzteres ist eines der historischen Viertel, die eine Art Gegenpol zum Prunk der Schlösser bieten und eine andere Seite Potsdams darstellen. 150 Backsteinhäuser, unverputzt, mit weißen Fugen, Fensterläden und zum Teil geschwungenen Giebeln – sie bilden das europaweit einzigartige Bauensemble des Holländischen Viertels, das aus vier Karrees besteht. Errichtet wurde es in der Zeit zwischen 1734 und 1742 für die holländischen Handwerker, die der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. – ja, hier haben wir ihn wieder – nach Potsdam geholt hat. Jetzt besteht das Viertel aus teils winzigen, exklusiven Läden und gemütlichen Cafés und Restaurants, die nicht nur bei Touristen, sondern auch bei den Einheimischen überaus beliebt sind.
Wie wichtig das Handwerk generell für Potsdam war zeigen auch die Straßennamen wie Tuchmacher-, Garn- und Spindelstraße in der alten Weberkolonie Nowawes, die auf Wunsch Friedrich II. um 1750 im heutigen Babelsberg entstand. Jetzt finden hier – inmitten der romantischen Weberhäuschen – jedes Wochenende ein Floh- und Bauernmarkt statt. An die böhmischen Traditionen des Quartiers erinnern außerdem jedes Jahr im Juni das Böhmische Weberfest und am 1. Advent der Böhmische Weihnachtsmarkt.
Etwas später, nämlich 1826 bis 1827, wurde auf Wunsch Friedrich Wilhelm III. auch noch ein anderes Viertel gebaut: Die russische Kolonie Alexandrowka. Zwölf Gehöfte, ein Aufseherhaus, ein königliches Landhaus und eine russisch-orthodoxe Kirche sollen an Zar Alexander I., einen Freund des Preussen-Herrschers erinnern und wurden damals als Anschauungsobjekt für mustergültigen Obstanbau errichtet.
Neben all diesen historischen Highlights bietet Potsdam auch noch weitere Attraktionen: Der Filmpark Babelsberg ist zum Beispiel eine davon. Hier kann Groß und Klein hinter die Kulissen von Film und Fernsehen schauen – und wer schon immer einmal das Original GZSZ-Außenset besichtigen wollte, ist hier richtig. Allen anderen ist auch noch der Naturerlebnispark „Biosphäre“ ans Herz zu legen oder der Volkspark oder eines der Ausflugsschiffe an der Havel.
Entscheidungshilfe bei der Unmenge an Auswahl bietet seit kurzem auch das Mobiltelefon: Auf der Internetseite www.potsdam.tomis.mobi kann sich der planende Besucher schon im Vorhinein über mehr als dreißig ausgewählte Sehenswürdigkeiten informieren. Oder er lädt sich Audio-Dateien auf seinen MP3-Player oder sein Handy: So wird man dann zum Beispiel von Friedrich II. höchstpersönlich in einem 105 Minuten langen Rundgang durch Potsdam geführt – wahlweise in Deutsch oder Englisch.
Und wem das alles jetzt etwas zu viel ist, der spaziert jetzt im Dezember einfach durch die zu einem riesigen Weihnachtsmarkt „umfunktionierte“ Potsdamer Innenstadt. Eines ist jedenfalls klar, wer schon das trendige Berlin besucht, der sollte auch einen Abstecher ins glamouröse Potsdam in Betracht ziehen. Am Zeitaufwand scheitert es jedenfalls nicht: Von Berlin Hauptbahnhof ist man mit der S-Bahn bereits in 45 Minuten in der brandenburgischen Landeshauptstadt. Also, worauf wartet Ihr noch?
Erstveröffentlicht auf tripwolf, 12. Januar 2010