Sauris, das schönste „Ende der Welt“
Wenn sich UrlauberInnen freuen, die Woche über Weihnachten und Silvester in einem kleinen Bergdorf am Ende der Welt festzusitzen, ist das schon verwunderlich. Wenn sie noch dazu der interessierten Presse gern Interviews geben und begeistert berichten, wie schön es ist „eingesperrt“ zu sein, dann kann man nur noch staunen. Vor einigen Jahren ist genau das in Sauris, der höchst gelegenen Gemeinde Friauls, passiert: Da blockiert ein durch Schnee verursachter Erdrutsch die einzige Zufahrtsstraße, die TouristInnen müssen – auf Kosten der Gemeinde natürlich – ihren Aufenthalt verlängern – doch statt eines Skandals wird daraus eine erfolgreiche Werbeaktion!
Ganz schön kitschig?! Willkommen in Sauris. Foto: Doris Neubauer
13 Kilometer und gefühlte 45 Minuten zieht sich die Fahrt auf der engen Serpentinenstraße: Nein, leicht erreichbar ist Sauris mit den beiden Ortsteile Sauris di sotto und Sauris di sopra auch ohne Schnee nun wirklich nicht. Und doch ist die deutsche Sprachinsel auf 1.200 bis 1.400 m Höhe nicht erst seit der „passierten Werbeaktion“ ein Tourismusmagnet. Auch die Einheimischen, die vor Jahr noch in Scharen ausgewandert sind, kommen wieder retour. Warum? So schön wie in Sauris ist es – wenns nach ihnen geht – sonst nirgendwo auf der Welt!Alte Bauernhäuser, antiquiert anmutende Schilder auf den Wänden, Läden, die Holzmasken oder Handgewebtes anbieten, Steinstiegen, die bergauf und bergab zu putzig aussehenden Lokalen führen, und all das umringt von wunderschön saftigen Wiesen – irgendwie fühlt man sich in der kleinen Gemeinde in den karnischen Alpen fast wie in einem Freiluft-Museum. Der Schein trügt aber, ist Zahre – wie Sauris auf Deutsch heißt – doch Wohn- und Arbeitsstätte für um die 400 Menschen. Ja, es gibt sogar mehr Jobs als Einwohner, sodass mittlerweile um die 50 Personen täglich nach Sauris pendeln – dem Fremdenverkehr sei Dank!
So sehen sie aus, die typischen Holzmasken in Sauris. Man kann sie bewundern, kaufen, tragen. Foto: Doris Neubauer
Für den – modernen – Tourismus macht sich Sauris nämlich das zunutze, was früher als Nachteil gegolten hat: Seine Abgeschiedenheit. Die ist „schuld“ daran, dass Bräuche, Architektur, ja sogar die alte, dem Tirolerischen ähnliche Sprache, die man als Deutschprachige durchaus – mit Müh und Not – verstehen kann, über die Jahrhunderte unverändert geblieben sind. Und so kann man auch heute – als „normaler Tourist“ – in den typischen Dorfhäusern schlafen, in denen früher die Bergbauern gewohnt haben: Albergo Diffuso nennt sich das Projekt, das von der EU gefördert wurde, und heute aus 28 Unterkünften mit 130 Schlafplätzen besteht. Ein richtiges „Hoteldorf“ aus alten renovierten Häusern ist entstanden – das Erste dieser Art in Italien, dessen „historischer“ Kern im Ortsteil Borgo San Lorenzo ist.
Prost! Für das leibliche Wohl wird unter anderem mit der eigenen Bierbrauerei gesorgt. Foto: Doris Neubauer
Wem diese Ruhe und Abgeschiedenheit dann doch zu langweilig wird, der braucht in Sauris nicht lange nach Abwechslung suchen: So kann man sich zum Beispiel im Ethnographische Zentrum über die Geschichte und Tradition der Region informieren, Holzmaskenbauer, die Bierbrauerei von Zahre oder die Schinkenfabrik Wolf in Sauris di Sotto besuchen. Dort wird ein leicht geräucherter Rohschinken, der mit Gebirgskräutern gewürzt ist, hergestellt, der einzigartig ist für die Region. Doch was versuch ich es zu beschreiben – am besten, man kostet sich einfach durch. Und Hartgesottenen (Achtung, nichts für Geruchsempfindliche wie mich!) steht die Fabrik auch für eine Besichtigung offen.
Ausflug der Schlümpfe? Nein, so sieht man bei einer Besichtigung der Schinkenfabrik Wolf aus. Foto: Doris Neubauer
Für Sportler haben Sauris und der umliegende “Parco Naturale Dolomiti Friulane” ebenfalls einiges zu bieten: Wandern, zum Beispiel auf dem Gelben Weg der Via Alpine, Radfahren, Mountainbiken, Klettern, Reiten oder Wassersport an den umliegenden Seen im Sommer oder Langlaufloipen, Schneewandern und Skigebiet im Winter. Wer es etwas fauler möchte, der kann sich übrigens auch Elektrofahrräder ausborgen, um die Region zu erkunden. Letztere sind Teil von Sauris Strategie, auf nachhaltigen Tourismus zu setzen: Als Gründungsort der Alpine Pearls, der Dachorganisation von 24 nachhaltigen Alpengemeinden in Österreich, Schweiz, Italien, Slowenien, Deutschland und Frankreich, wird in umweltschonende Angebote investiert. Eines davon verbindet übrigens Sauris mit dem nahen Forni di Sopra: Unter dem Motto „Perlen im Doppelpack“ bieten die Gemeinden bieten eine Urlaubswoche in beiden Orten an. (Mehr dazu bei Alpine Pearls)
In der idyllischen Albergo Diffuso lässt es sich gut wohnen… Foto: Doris Neubauer
Von Sauris kommt man übrigens innerhalb von vier Stunden nach Forni di Sopra – zu Fuß! Vorausgesetzt, das Gebiet ist nicht durch das italienische Bundesheer wegen Truppenübungen gesperrt, wie es bei meinem Besuch von Sauris leider der Fall war…
Erstveröffentlicht auf tripwolf, am 30. August 2011
Sauris habe ich im Zuge der AlpineCrossing der Tourismusorganisation Alpine Pearls kennen gelernt. 10 Tage lang war ich unterwegs und habe für Biorama gebloggt. Meine Artikel findet Ihr hier.