Werfenweng: Achtung, nachhaltig ansteckend!
Fast zwei jahre ist es mittlerweile her, dass ich für Biorama bei einer Alpenüberquerung der etwas anderen Art dabei war. Die EU-Initiative Alpine Pearls, ein Zusammenschluss nachhaltiger Tourismusorte in Österreich, Deutschland, Schweiz, Italien, Slowenien, Frankreich, haben uns JournalistInnen und BloggerInnen geladen, 10 Tage mit ihnen unterwegs zu sein und einige der Perlen der Alpen kennen zu lernen. Wir waren E-Bike-Fahren, haben die Elektroautos bestaunt, mit Reinhold Messner über Touristen und Reisende philosophiert, wandernd den Himmel erreicht und wurden vor allem rund um die Uhr mit kulinarischen Bio-Highlights aus den Regionen gemästet.
Kurz, es war für uns alle eine unvergessliche Zeit – mit einem einzigen Manko: Immer wieder wurde in den 10 Tagen vom Salzburger Werfenweng, Gründungsort der Alpine Pearls und nachhaltiges Modelldorf. Station haben wir dort aber nicht gemacht – alles kann man eben in 10 Tagen nicht unterbringen (selbst wenn man sich sehr bemüht). Aber ich war schon mit dem “Werfenweng-Virus” infiziert: Ihr könnt euch also vorstellen, wie laut ich “JAAAAA” gerufen habe, als ich kürzlich zur Eröffnung des Travel Charme Bergresort in den Ort eingeladen worden bin.
“Ihr wisst sicher nicht, wie wir zum Modellort für sanfte Mobilität geworden sind, oder?” Woher soll Wolfgang Popp, der uns gerade zum FIS-Skimuseum begleitet und mit der Antwort auf die Frage beeindrucken will, auch wissen, dass wir – oder besser gesagt ich – sie schon öfters gehört habe?! Die Geschichte vom jungen (dem damals jüngsten) Bürgermeister der 900-Seelen-Gemeinde, Dr. Peter Brandauer, der mit nichts als einer Idee nach Wien gefahren ist, um Förderungen zu erhalten – und der die professionellen Powerpoint-Vorträge seiner Mitstreiter dennoch übertrumpft hat. Mit einer ansteckenden Begeisterung, die wohl mitschuld daran ist, dass aus Werfenweng eine vom Österreichischen Bund, Salzburg Land und der EU finanziell geförderte Mustergemeinde in Sachen sanfter Mobilität geworden ist. Das war 1997.
Was als strategisches Konzept begonnen hat, um sich im harten touristischen Wettbewerb besser präsentieren zu können, ist längst gelebte Praxis geworden. Ein Weg der “1000 kleinen Schritte” – wie ihn Brandauer oft und gern nennt -, der sich wie ein Virus ausgebreitet hat. Gut so! Angefangen mit der für TouristInnen fast kostenlosen (Anm.: 1x 8 Euro Verwaltungsbeitrag) Sa(nft)Mo(bil)-Card, mit der Gäste eingeladen werden, das Auto im Ort stehen zu lassen und stattdessen auf alternative Fahrzeuge wie die mit Biogas betriebenen “Grashüpfer”, eine Flotte Elektroautos, Segways, Fahrräder, Pferdekutschen, den privaten E-Chauffeur Elois und vieles mehr umzusteigen. Mittlerweile gibt es die SaMo-Card auch für BewohnerInnen, und eine für Tagesgäste ist angedacht, damit das Dorf weiter Auto frei werden kann. Solaranlagen und E-Tankstellen existieren ebenfalls schon länger und und und…
Die (Erfolgs)Geschichte von Werfenweng, das im ganzen Jahr touristisch genutzt wird, ist zwar teilweise bekannt, und dennoch immer wieder schön zu hören. Vor allem, wenn sie direkt aus dem Mund von Bürgermeister Dr. Peter Brandauer kommt. Wie an diesem Morgen, als er uns – eine Delegation von JournalistInnen aus dem deutschsprachigen Raum – im 4-Stern-Haus Travel Charme begrüßt. Es ist der erste Tag, an dem das Bergresort mit seinen drei Restaurants und dem 1.600 m2-Spabereich, die Pforten geöffnet hat – alles riecht neu, das Personal nimmt sich (noch?) die Zeit, mit jedem Gast zu plaudern. Und alles ist überraschend entspannt, beinah so, als wäre das Travel Charme schon immer Teil der Gemeinde gewesen.
Irgendwie ist das auch so – zumindest, was die Werte angeht: Denn auch die Travel Charme Hotels setzen auf Nachhaltigkeit – vor allem in Sachen Essen & Trinken. Da werden Weine und Olivenöle des umweltfreundlichen Vorzeigelieferanten Castello Monte Vibiano Vecchio aufgetischt oder Fair Trade Kaffee von Mama Mina Estate aus Nicaragua, geröstet in Berlin. Ganz Schweizer Unternehmen gibt es bei Travel Charme ein eigenes nachhaltiges Ernährungskonzept namens GreenGusto®, bei dem es darum geht, vor allem bio-zertifizierte, ökologisch angebaute Lebensmittel aus der Region einzusetzen. Eine Tatsache, die den landwirtschaftlichen Betrieben in Werfenweng durchaus zugute kommt: “Wir haben unsere Bauern im Vorfeld unterstützt, um mit dem Hotel in Kontakt zu treten und sich auf die Anforderungen einzustellen”, erzählt Bürgermeister Brandauer, was sich eine Kollegin bei einem Ausflug mit dem Elektro-Auto prompt von einem Bauer bestätigen lässt.
“Und wie kompensieren Sie den Energieverbrauchund die Umweltbelastung, die durch den Bau dieses Hotelkomplexes entstanden sind?”, Journalisten können ganz schön gemeine Fragen stellen. Solche, über die man in Werfenweng offensichtlich auch nachgedacht hat, denn durch das Projekt des 4-Sterne-Gebäudes konnte kürzlich zum Teil der Bau einer Biomasse-Heizanlage finanziert werden. Die schafft wiederum eine Entlastung für die Gemeinde, indem sie einen Großteil des Dorfes mit Wärme versorgt, von der 1/4 aus der eigenen Gemeinde und der Rest aus dem Umland kommt. Eigentümer sind übrigens die BürgerInnen Werfenwengs selbst: 37 sind schon jetzt am Anfang dabei.
Ich hab euch ja “gewarnt”: Der Virus breitet sich aus und ist ansteckend, nachhaltig ansteckend. Nicht nur in Werfenweng. Aber wer möchte ihn stoppen?!