What Happiness is: Die Reise zum Fernsten aller Ziele

“Handymasten, überall Handymasten”. Bei uns hört sich das wie eine Beschwerde über die zerstörte Landschaft an; dort ist es für eine Dorfbewohnerin der größte Wunsch und Antwort darauf, was sie denn zum Glücklichsein bräuchte. Eine von 1.000 (!) Fragen, die Beamte des Ministeriums für Glück 7.000 Menschen stellen, um herauszufinden, wie es denn um die Entwicklung des Landes steht. Denn statt Bruttonationalprodukt und Co. wird Glück als Gradmesser für den Wohlstand des ehemals abgeschottenen Staats zwischen China und Indien hergenommen.
Von September 2010 bis Februar 2011 hat sich ein österreichisches Filmteam auf die Fersen der Interviewer geheftet, die die schweren Papierwälzer mit Fragen acht Monate lang in jedes noch so abgeschottete Dorf bringen. Das (Zwischen)Ergebnis dieser Reise zum Fernsten aller Ziele – und nein, damit meine ich nicht Bhutan selbst – konnte ich erstmals am Freitag, 13.4. bei einem Testscreening im Wiener Admiral Kino erleben: WHAT HAPPINESS IS führt in langsamen, ruhigen Bildern in dieses unbekannte Land mit seinen grünen Bergen, Wolken und Nebel verhangenen Tälern, mit exotisch farbenfrohen Tempeln mit goldenen Ornamenten und unzähligen kleinen, zerrissenen Gebetsfahnen, die im Wind wehen. Diese Eindrücke bleiben im Gedächtnis genauso wie zwei Mädchen, die sich bei Tee über ihre Männer-Geschichten unterhalten und sich vor Lachen nicht mehr halten können, mit Pistolen spielende Buben oder die runzeligen, verlebten Gesichter der – auffallend vielen – Alten, die in ihren dunklen Zimmern auf dem Boden sitzend von ihrem Glück erzählen sollen. “Haben Sie Freude am Leben?” wird eine gefragt. “Ich weiß es nicht. Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten”.

Mit einer verblüffenden Offenheit erzählen die Menschen – BäuerInnen, Mönche, UnternehmerInnen, Familienväter und -mütter – von ihren Gefühlen und beantworten mit einer Engelsgeduld auch oft seltsame Fragen. “Glauben Sie, dass der Einsatz von Kondomen Geschlechtskrankheiten verhindern kann?” “Denken Sie, dass Ihr Einkommen sich eher verschlechtert, gleich bleibt oder verbessert?” “Haben Sie Angst vor Dämonen und Naturgeistern?” Bei solchen oder ähnlichen Themen taucht dann nicht nur bei mir der Zweifel auf, ob die Regierung von Bhutan wirklich am Glück ihrer Bevölkerung interessiert ist oder es nicht doch um etwas Anderes geht. Die Infrastruktur zu entwickeln, sich dem Westen öffnen, ohne aber dem Materialismus zu erliegen – so lautet jedenfalls das noble Ziel des Staates. Ob das schon allein dadurch klappt, dass man Fastfoodketten & Co. aus dem Land verbannt, von TouristInnen 270 USD pro Tag verlangt und sie nur mit einem einheimischen Guide einreisen lässt?
Interessant und spannend sind Bhutan und sein Projekt “Bruttonationalglück” aber allemal. 41% aller Bhutaner schätzen sich jedenfalls als glücklich ein. Ob das Ergebnis bei uns in Österreich auch so ausschauen würde? Keine Ahnung! Aber wer hat bei uns schon die Zeit und vor allem die Geduld, sich Stunden-, Tage-, Wochen-, Monatelang mit dem Thema Glück zu beschäftigen?