Wheelmap: Unterwegssein ist für alle da?!
1,7 Millionen Menschen sind allein in Österreich gesundheitlich beeinträchtigt. Darunter fallen Personen mit Seh-, Hör-, Sprech-, Geh- und sonstigen Behinderungen genauso wie Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Eine große Menge, für die gerade in der Freizeit (21 %) und im öffentlichen Verkehr (16%) das Leben jede Menge Hindernisse bereit hält. Laut einer Studie aus dem Jahr 2008 haben 39,1 % der bewegungs-/mobilitätsbeeinträchtigen, 42 % sehbeeinträchtigten und 43 % der hörbeeinträchtigten Menschen Probleme im öffentlichen Verkehr. Ähnliches ergibt sich beim Zugang zu öffentlichen Gebäuden, Einrichtungen und Verkehrsflächen. Barrierefreies Unterwegssein, das ist für Menschen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung im “kleinen Österreich” genauso wenig Realität wie in der großen, weiten Welt!
Einer, der das aus eigener Erfahrung weiß, ist der Berliner Raul Krauthausen, auf dessen Initiative hin Wheelmap.org – eine Karte für rollstuhlgerechte Orte – im September 2010 online ging. “Die Idee entwickelte sich aus einer echten Alltagssituation: Ein Freund hatte sich beschwert, dass wir uns immer in demselben Café treffen müssen”, erzählt der Rollstuhlfahrer und Akosha-Fellow von den Anfängen, “wir beide wussten aber nicht, in welchem anderen Café ein Treffen überhaupt möglich wäre, ohne eine Stufe am Eingang zu haben, die man mit einem Rollstuhl nicht überwinden kann. In dieser Situation dachte ich, dass doch eine Karte hilfreich wäre, auf der die Rollstuhltauglichkeit von Orten in der Umgebung vermerkt ist.”
Das Prinzip ist denkbar einfach: Jeder kann unter www.wheelmap.org weltweit rollstuhlgerechte Orte – Cafés, Bibliotheken, Schwimmbäder, Museen und andere öffentliche Plätze – finden, eintragen und auch nach dem Ampelsystem von grün bis rot bewerten. “Erst vor ein paar Tagen haben wir eine Viertelmillion markierte Orte erreicht”, erzählt mir Andi Weiland von SOZIALHELDEN e.V., die das Projekt betreiben. Täglich kommen 200 Neueinträge hinzu, die in Arabisch, Dänisch, Deutsch, Griechisch, Englisch, Spanisch, Französisch, Isländisch, Italienisch, Japanisch, Polnisch, Schwedisch, Türkisch, Koreanisch und sogar Klingonisch (ich hab es nicht getestet, sondern glaube das einmal!) verfügbar sind. Weitere Sprachen sollen folgen.
Besonders viele Markierungen auf der Wheelmap.org, die es seit November 2010 auch als kostenlose Smart- und iPhone-App gibt, existieren bisher im deutschsprachigen Raum. In Klagenfurt zum Beispiel wurde dank einer engagierten Gruppe, die sich unter dem Motto “ergo goes wheelmap” zusammengeschlossen hat, innerhalb eines Jahres fast die ganze Stadt markiert. “Ob es eine gute Abdeckung ist, liegt jedoch immer im Auge des Betrachters”, meint Andi, “ob man beispielsweise in der Stadt lebt oder als Tourist dahin kommt, da hat man vielleicht unterschiedliche Ziele.”
“Eines unserer Anliegen besteht darin, dass jeder, der Informationen zu rollstuhlgerechten Orten sucht, sie auch da findet, wo er sie suchen möchte”, erklärt Andi und fügt hinzu: “Und das muss nicht unbedingt die Wheelmap sein.” So tauscht sich das Team auf internationaler Ebene mit ähnlichen Initiativen wie zum Beispiel J’accede in Frankreich aus, um die angebotenen Informationen zu vereinheitlichen.”Auch von vielen Städten gibt es Daten zu rollstuhlgerechten bzw. barrierefreien Orten”, erklärt der “Sozialheld”, “da würden wir uns freuen, wenn die nicht nur auf einem PDF oder einer eigenen Karte zur Verfügung stehen würden, sondern vielleicht auch in die OpenStreetMap eingetragen werden können.”
Schließlich ist das Markieren von Orten eine Sache; “im nächsten Schritt muss sich aber auch gesellschaftlich bzw. politisch etwas verändern, so dass beispielsweise Umbauten vielleicht subventioniert werden oder Gesetze wie der Brand- und Denkmalschutz angepasst werden”, so die Betreiber der Initiative über ihre Ziele, “wir hoffen, dass wir mit der Wheelmap einen Beitrag dazu leisten können, dass über das Thema nachgedacht und in einem nächsten Schritt auch gehandelt wird.” Potenzial für das Wachstum des Barrierefreien Unterwegssein ist jedenfalls vorhanden: Allein in Deutschland gibt es 1,6 Millionen Rollstuhlfahrer. Weltweit steht die Zahl bei 85 Millionen – die Dunkelziffer liegt drei Mal höher.
Weitere Ressourcen:
Mehr zu Wheelmap.org liefert eines der - der Plattform. Und mit “Wheelmap goes London” geht Wheelmap.org den nächsten Schritt: Es sucht Möglichkeiten und Kontakte, wie man die Plattform in einer Metropole wie der britischen Hauptstadt bewerben kann.
Zahlen, Daten, Fakten und weitere Informationen zur Barrierefreiheit liefert die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation.
In Österreich ist 2011 vom Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend ein Wettbewerb namens “Tourismus Für Alle” ins Leben gerufen worden, der sich mit dem Potenzialmarkt der 1,7 Millionen Menschen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung beschäftigt. Broschüren rund um Barrierefreies Reisen, Kultur- und Kunstgenuss bzw. Freizeit allgemein stehen als pdf-Download zu Verfügung.
Literatur: