Zu Fuß ins Glück und bis ans Ende der Welt

Vor sechs Jahren hat sich Reinhold Richtsfeld entschieden, für seine Reisen nie wieder in ein Flugzeug zu steigen – aus ökologischen Gründen. Das Reisen selbst hat er damit aber nicht aufgegeben, die Art und Weise des Entdeckens aber sehr wohl. Seit 2008 ist der Oberösterreicher zu Fuß unterwegs und kam so zum Beispiel nach Spanien und Marokko. Dass er auf diesem Weg nicht jedes Land dieser Erde kennen lernen wird, nimmt er in Kauf. Stattdessen erlebt er, dass  ”bei Reisen zu Fuß die Welt wieder riesig wird. Schön, oder?”

“Ich überlege mir nun genauer, wohin ich reisen möchte und vor allem warum”: Weltenwanderer Reinhold. Foto: Reinhold Richtsfeld

tripwolf: Reinhold, wie kamst du auf die Idee, ohne Ziel und ohne Zeitplan loszumarschieren?

Reinhold: Die Idee ist gemeinsam mit einem Wanderkollegen entstanden. Unsere Grundmotivation war die Sehnsucht nach einem einfachen und ökologischen Leben, eine Reduktion auf das Wesentliche. In unserer Zeit erkennen immer mehr Menschen, dass unser wachstums- und konsumorientiertes System an seine Grenzen stößt, und zusätzliches Geld nicht mehr Lebensqualität bringt. Die Welt steht vor großen Veränderungen, und noch ist völlig offen, wohin es gehen wird. Dennoch beginnt jeder Wandel immer mit einem ersten Schritt.

Bei der Wanderung hab ich daher versucht, eben genau kein Ziel zu haben, um offen zu bleiben für Inspirationen am Weg und für sich ändernde Umstände, und um Schritt für Schritt zu lernen. Ich habe viele mutmachende Beispiele von Menschen gesammelt, die schon jetzt die Veränderung leben und mit neuen Lebensstilen experimentieren. In Tibet heisst es: „Ein Baum der fällt, macht mehr Krach, als der Wald der wächst“. Abseits von medial krachenden Bäumen wie Umweltkatastrophen und Kriegen gibt es bereits jetzt einen ungeheuer vielfältigen Wald von neuen Ansätzen, Ideen und Lebensweisen für die Zukunft.

tripwolf: Wie waren die Reaktionen deines Umfelds auf den Plan?

Reinhold: Familie und Freunde haben mich sehr unterstützt, als sie gemerkt haben, dass die Wanderung für mich eine wichtige biografische Mission ist. Der Ruf meines Herzens war so laut, dass ich ihm einfach folgen musste. Ich habe es aufgegeben zu hoffen, dass mich jeder versteht. Die schlichteste aller Erklärungen lautete: „Ich gehe, einfach weil es mich glücklich macht“. Das ist doch Grund genug, oder?

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Reinhold hat sich vor einigen Jahren entschieden, zu Fuß zu reisen – wie zum Beispiel hier nach Marokko. Foto: Reinhold Richtsfeld

tripwolf: Wie sah deine Vorbereitung aus?

Reinhold: So viel essen wie möglich! :-) Nein, im Ernst: Auf körperlicher Ebene braucht es beim Wandern keine Vorbereitung, man kann ja langsam anfangen, dann stellt sich der Körper automatisch ein. Die mentale Vorbereitung dauerte allerdings ein Jahr, von der Entscheidung bis zum tatsächlichen Aufbruch. Die Monate vor dem Start vergingen im Fluge, das war eine turbulente Zeit: die Wohnung aufgeben, gute Ausrüstung besorgen und mit allen Abschied zu feiern. Und schon fand ich mich am Wiener Stephansplatz wieder, um auf die Reise meines Lebens zu gehen.

tripwolf: Die Frage von vielen ist: Wie kann man vom Reisen leben? Woher hattest du also das Geld – und wie viel “Erspartes” braucht man?  

Reinhold: Ich habe mit der Wanderung nur wenig Geld verdient mit ein paar Reisegeschichten für Magazine. Der Trick ist, an der Ausgabenseite anzusetzen, dann wird es sehr billig. Also weg mit den Fixkosten: keine Wohnung, kein Auto, kein Telefon, und stattdessen immer mit dem Zelt unterwegs sein und selber kochen. Ein Jahr Wanderung kosten so etwa 5000 Euro, das ist kein so großer Brocken. Diesen Freiraum für meine „Herzensprojekte“ habe ich mir mit Geld aus meiner Arbeit als Testingenieur geschaffen. Auch jetzt mache ich das so. Es macht mir große Freude, einen Teil meiner Zeit für eine sinnvolle Tätigkeit zu nützen und beim spannenden Veränderungsprozess in eine nachhaltige Welt mitzuwirken.

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Reinhold und sein Zelt mitten in der Natur. Foto: Reinhold Richtsfeld

tripwolf: Welche Begegnungen sind dir am ehesten im Gedächtnis geblieben und haben dich geprägt?

Reinhold: Die wunderbarsten Begegnungen auf einer elementaren menschlichen Ebene erlebte ich in Marokko, wo die jahrtausende alte Tradition der Gastfreundschaft in den Menschen weiter gelebt wird. Fast jeden Tag wurde ich zum Tee eingeladen, oft auch zum Essen. Egal, wie arm eine Familie auch sein mag, es wird alles aufgetischt, was da ist, um dem Gast die Ehre zu erweisen. Diese unglaubliche Würde der Menschen, die oft nicht wissen, wie sie durch den nächsten Monat kommen, hat mich tief berührt. Auch in Europa habe ich gespürt, welche Freude das Geben in den Herzen der Menschen auslösen kann, völlig im Widerspruch zur armseligen „Geiz ist geil“-Mentalität.

tripwolf: Was sind deine Lernerfahrungen von deiner Reise?

Reinhold: Eine der wichtigsten Erfahrungen war, das die Welt so ist, wie du von ihr denkst. In meinem Fall gut. :-) Eigentlich war ich vorher schon Optimist, und bin es jetzt noch viel mehr. Unterwegs war ich komplett von den schlechten Nachrichten aus Fernsehen und Zeitungen abgeschnitten, und hatte gleichzeitig nur positive Erlebnisse mit herzlichen und lustigen Menschen. So verschwanden meine anfänglichen Sorgen schnell und ich entwickelte ein starkes Grundvertrauen. Auch mit der Natur erlebte ich euphorische Momente der Verbundenheit, das Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein. Daraus entstand eine tief empfundene Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens. Seither weiß ich, wie wichtig es ist, auf unsere innere Stimme zu hören, und unseren Herzen zu folgen.

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Es muss nicht immer Marokko sein, auch Vorarlberg wurde von Reinhold bereits ergangen. Foto: Reinhold Richtsfeld

tripwolf: Was sind deine nächsten Pläne? 

Reinhold: In der kommenden Wintersaison werde ich mit meinem Vortrag „Das Herz des Abenteuers“ unterwegs sein und meine Erfahrungen mit einem einfachen, umweltbewussten Leben weitergeben. Ich glaube, wir können mit weniger Ressourcenverbrauch besser leben, wenn wir uns wieder ernsthaft fragen, was uns wirklich glücklich macht. Da gibt es viel zu tun. Ich werde auch weiterhin versuchen, auf meine innere Stimme zu hören und offen zu bleiben für Veränderung. Und wer weiß, vielleicht kommt noch einmal der Ruf nach einer Reise zu Fuß.

tripwolf: Wir sind gespannt, danke für das Gespräch!

Aktuelle Informationen und Vortragstermine auf www.rytz.at

Erstveröffentlicht auf tripwolf am 16. November 2011

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