Ecuador: Vom schönen, bunten Wandersleben

“Schöner kann wandern nicht sein!” – “Und sicherer schon gar nicht!” Die Lobeshymnen auf den Quilotoa Loop nahe der Stadt Latacunga in Ecuador höre ich schon lange bevor ich auch nur in der Nähe bin. Ein Muss also für jemanden wie mich, der lieber in der Natur als in der Stadt ist – zumindest auf längere Sicht gesehen. Natürlich bin ich diesem Ruf gefolgt und habe mich für drei Tage in die hohen Berge begeben. Ein Abenteuer, das nicht nur Höhen, sondern auch ganz schöne Tiefen für mich bereit gehabt hat…

Wunderschöne Landschaften, saftiges Grün, Krater und Vulkanspitzen – das ist der Quilotoa Loop. Foto: Doris

Wunderschöne Landschaften, saftiges Grün, Krater und Vulkanspitzen – das ist der Quilotoa Loop. Foto: Doris

Eines gleich vorweg: Man kann den Quilotoa Loop, dessen Highlight eindeutig der gleichnamige Kratersee ist, auch per Bus und in einem Tag “erledigen”. Und natürlich darf man sich gern länger als drei Tage in den Bergdörfern aufhalten, mit indigenen Bauern plaudern sowie sich mit Schafen, Kühen oder den allgegenwärtigen Hunden die grüne Weidelandschaft teilen. Langweilig wird es einem hier eine Zeit lang sicher nicht: In jedem Dorf wartet an einem oder mehreren Wochentagen ein bunter Markt, die Menschen sind freundlichst und die Landschaft, ja, die Landschaft selbst ist ohnehin Atem beraubend (manchmal wegen der steilen Wegstrecken im wahrsten Sinn des Wortes!). Ob man ihn – so wie ich – im “Uhrzeigesinn” oder andersrum macht, ob man einen oder mehrere Tage unterwegs ist – der Quilotoa Loop ist jede Mühe wert.

Tag 1: Startpunkt für mich ist das Hostel Tiana in Latacunga, eine Empfehlung von Bekannten, der ich gern gefolgt bin. Dort übernachte ich einmal, stärke mich mit dem – inkludierten – Frühstück und um 13.00 geht es mit dem Bus los nach Isinliví. Anders als von ecuadorianischen Straßen gewohnt, rumpelt es bei der Fahrt ziemlich: Überrascht bin ich nicht, schließlich geht es auf 2.900 m hinauf und außer Häusersiedlungen, die den Namen Dorf schon etwas überstrapazieren, gibt es dort nichts. Nach zweieinhalb Stunden, die oft gefährlich nah an den Hang führen, sind wir in Isinliví. Ein Dorf, das mir als Reisende für zwei Dinge bekannt ist: Für das etwas teure, aber charmante Hostel Llulli Lama und für die Holzmöbel sowie -schnitzereien, die dort von Abgängern der örtlichen Schule produziert werden. Nachdem es – typisch für den Nachmittag – regnet, wird aus den Wanderungen in der Umgebung nichts, stattdessen ruhe ich mich in der gemütlichen Stube des Llulli Lamas aus, unterhalte mich mit Volunteer Sonia aus Italien und ihrer deutschen Freundin Heike, die hier einige Zeit wohnen, und genieße das 3-gängige Abendessen, das von einer Einheimischen (und ihrer ganzen Familie) gekocht wird. Und als es im Kamin auch – endlich – Feuer gibt, wird es in der Stube noch so richtig warm und heimelig…

Gemütlichkeit ist Pflicht: Hostel Llumu Llama ist genau das richtige nach einer Wanderung, bei der einen der Regen erwischt hat. Foto: Doris

Gemütlichkeit ist Pflicht: Hostel Llumu Llama ist genau das richtige nach einer Wanderung, bei der einen der Regen erwischt hat. Foto: Doris


Tag 2: Ausgeruht, mit einem mehr als reichhaltigen Frühstück gestärkt und mit der Landkarte ausgerüstet, den ich im Hostel bekomme, mache ich mich – allein – auf den Weg nach Chugchilán. Mein Plan heute ist, dorthin zu wandern und vielleicht von diesem Dorf den Bus aus nach Quilotoa zu nehmen. Wie lange die Strecke nach Chugchilán ist, darüber streiten sich die Geister: Von vier bis zu sieben Stunden ist in unterschiedlichen Quellen zu lesen. Nachdem ich aufgrund einer Erkältung nicht wirklich fit bin, mache ich mir nicht all zu viele Hoffnungen, es in kürzester Zeit zu schaffen – Durchhalten ist die Devise.

Vor lauter Schwitzen vergesse ich manchmal auf die herrliche Landschaft – dabei ist die wirklich jeden Blick wert. Foto: Doris

Vor lauter Schwitzen vergesse ich manchmal auf die herrliche Landschaft – dabei ist die wirklich jeden Blick wert. Foto: Doris

Womit ich allerdings nicht gerechnet hätte, passiert gleich nach 20 Minuten: Ich verlaufe mich! Und zwar gleich so heftig, dass ich für die nächsten 3 Stunden ohne Plan herumirre. Mehr als einmal verfluche ich mich, dass ich ohne die drei Kanadier losgezogen bin, die ich im Hostel getroffen habe. Gottseidank werde ich immer wieder von den freundlichen indigenen Bäuerinnen und Bauern gerettet, die mich teilweise an der Hand nehmen, um mich zum nächsten Punkt zu bringen. Eine Begegnung wird mir wohl immer in Erinnerung bleiben: Ich gehe gerade mit einer der hilfsbereiten Einheimischen, als mir eine ältere Dame in traditioneller Tracht mit Hut, farbenprächtigem Umhang und dickem, geblümten Rock mit zwei Schafen entgegen kommt – ein Bild, das aus einem Reiseführer stammen könnte. Mich sehend bleibt sie stehen, streckt mir die Hand entgegen und meint liebevoll: “Ach wie schön, du schwitzt ja!” Aufgrund der Anstrengung den Tränen nah und vor lauter Hitze zerfließend, muss ich dabei endlich einmal wieder lächeln. Noch mehr Grinsen verschafft mir der Anblick der Hängebrücke, die ich nach vielem Auf und Ab eine Stunde später erreiche: Ich bin wieder auf dem richtigen Weg! Kaum auf der anderen Seite kommen mir auch die drei Kanadier aus dem Hostel entgegen…

Noch sind wir aber nicht in Chugchilán. Bis dahin geht es noch einige Male extrem bergauf und gerade die letzte halbe Stunde vor der Straße hat es in sich. Da muss ich alle 2 Minuten stehen bleiben, geschlaucht von der langen Wanderung und bemüht, auf dem steilen, vom Regen matschigen Weg nicht abzurutschen. Aber ich schaffe es. Und der Regen, der ja nachmittags schon vorprogrammiert ist, kommt auch erst auf der letzten Etappe – mein Regenschirm hilft mir, nicht ganz durchnässt im Hostel Cloud Forest in Chugchilán anzukommen. Von Weiterziehen ist für mich jedenfalls nicht die Rede: Ich verbringe einen entspannten, vom Feuer gewärmten Nachmittag lesend in der Stube und singe abends sogar mit Einheimischen spanische Lieder vor dem Kamin. Dieses Abendprogramm ist definitiv besser, als sich mit einem älteren, vom Wein angetrunkenen Touristen über Kolumbien und Ecuador zu unterhalten.

Der himmlische Anblick vom Quilotoa Kratersee entschädigt für die Strapazen des letzten Tages. Foto: Doris

Der himmlische Anblick vom Quilotoa Kratersee entschädigt für die Strapazen des letzten Tages. Foto: Doris

Tag 3: Wieder geht es früh los, denn der Bus (1 USD statt Pick-Up um 25 USD!) nach Quilotoa ist für 6.00 angesetzt. Dass er dann erst um 6.30 vor der Haustür anhält, das bin ich ja nach einiger Zeit in Südamerika schon gewohnt. Meine FahrtgenossInnen, lauter Indigene geschmückt und in schönster Tracht wie für die Sonntagsmesse, entschädigen mich dann wieder für die Warterei: Ich kann kaum den Mund vor lauter Staunen schließen, so sehr nimmt mich die Schönheit dieser Menschen ein. Nach ca. 2 Stunden wirft mich der Bus dann im kleinen Dorf Quilotoa raus, 2 USD muss ich noch an der Kassa zahlen, bevor ich endlich zum Kratersee darf. Aber das ist alles wert: Der Anblick um 8.00 früh versetzt mich einfach in Entzücken. Ein wunderschöner Bergsee liegt vor mir und nachdem mir der Wettergott zugetan ist, kann ich das alles auch mit Sonnenschein genießen. Statt sechs Stunden rundherum zu gehen, beschließe ich, die zwei Stunden in den Krater zu wandern – 45 Minuten bergab, 1,25 Minuten bergauf. Der Weg ist wieder einmal aufgrund des Regens ganz schön gefährlich, doch an fast jeder Ecke arbeiten fleißige Ecuadorianer daran, den Pfad zu verbessern. Immerhin verirren kann ich mich diesmal wirklich nicht, doch die Strecke bergauf raubt mir dann wieder jeden Atem – noch dazu spüre ich die körperliche Erschöpfung von gestern.

 Die Märkte locken mit buntem Gemüse, Obst – und den Menschen in ihrer (farben)prächtigen Alltagstracht. Foto: Doris


Die Märkte locken mit buntem Gemüse, Obst – und den Menschen in ihrer (farben)prächtigen Alltagstracht. Foto: Doris

Glücklich und erschöpft warte ich nach der Krater-Wanderung auf den 5-USD-Pick-Up nach Zumbahua, der nächst größeren Stadt. Von dort gehen jede Stunde Busse nach Latacunga. Nachdem es noch recht früh am Nachmittag ist, steige ich in Tigua aus, einem winzigen Ort, der allerdings für seine indigene Malerei bekannt ist. Ein weiterer Abstecher führt mich zum Markt in Pujili, wo ich mich noch einmal an bunten Früchten, unaussprechlichen Gerichten und vor allem den farbenprächtig gekleideten Menschen erfreue.

So, aber jetzt muss ich mich einmal erholen: Die Reise endet dort, wo sie begonnen hat – am Feuer im Hostel Tiana, körperlich erschöpft und gedanklich noch immer bei den herrlichen Bildern von grüner Landschaft, dem türkisen Seewasser, weidendem Vieh, mehr oder weniger verfallenen Gebäuden und natürlich den indigenen BewohnerInnen des Quilotoa Loops…

Erstveröffentlicht auf tripwolf, am 18. Mai 2012

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