Grüne Zeiten bei Fluglinien: Es liegt etwas in der Luft

“Wird Fliegen grüner als Autofahren?” – Die Headline eines der letzten Utopia-Newsletters war so provokant, dass ich sofort drauf geklickt habe. Ja, das Thema beschäftigt mich immer wieder. Sie greift die Aussage von Air Berlin auf, nur 3,5 Liter auf 100 Kilometer pro Passagier zu verbrauchen. Mit unter 3 Liter Verbrauch pro Passagier auf 100 Kilometer steht die deutsche Fluglinie Condor sogar noch etwas besser dar. “Dass ein Flugzeug Unmengen an Treibstoff verbraucht”, das ist ein Mythos, mit dem Stephan Weidenhiller, Manager Regulatory Affairs & Commercial Airports bei Condor und dort auch mit Nachhaltigkeitsthemen beauftragt, aufräumen möchte, “das Flugzeug ist bereits heute eines der sparsamsten Fortbewegungsarten. Wussten Sie, dass die deutschen Fluglinien mit ihrer heutigen Flotte im Schnitt bereits weniger als 4 Liter Treibstoff / 100km pro Passagier verbrauchen? Ein Wert, von dem die Autoindustrie heute weit entfernt ist.”

Sicher eine der umweltschonendsten Arten sich fort zu bewegen. Leider nicht immer machbar. Foto: David Simoni

Sicher eine der umweltschonendsten Arten sich fort zu bewegen. Leider nicht immer machbar. Foto: David Simoni

Während Fluglinien wie Air Berlin (Nummer 6 der effizientesten Airlines nach dem Airline Index von Atmosfair) und Condor (Nummer 7 der Liste) sich also ihrer Verantwortung offenbar bewusst(er) sind und „grüne Zeiten für die Luftfahrt“ (O-Ton Utopia) versprechen, geht die Rechnung für die gesamte Branche leider nicht ganz so auf. Denn …

  • nicht alle Flugzeuge sind so effizient, ältere Modelle bringen es auf bis zu 10, 5 Liter pro Kopf.
  • Nicht alle Flüge sind ausgebucht: Die Auslastung der Lufthansa-Flotte liegt bei etwa 75%.
  • Flugzeug-Abgase sind 3x schädlicher, weil näher an der Atmosphäre.

So die für mich wichtigsten Fakten aus dem Utopia-Beitrag.
Grüner als Autofahren (wobei, ist das grün?!) ist das Fliegen wohl noch nicht.

Autos sind grün? Das hier sicher! Foto:Doris

Autos sind grün? Das hier sicher! Foto:Doris

Und doch: „Es gibt gute und schlechte Nachrichten, was Fluglinien und Umwelt angeht”, erklärt mir Christopher Surgenor, Editor der unabhängigen Plattform GreenAir Online (www.GreenAirOnline.com | www.AviationCarbon2013.com), “die schlechte Nachricht ist, dass Fluglinien weltweit jährlich ca. 650 Millionen Tonnen Co2 ausschütten, das sind 2% des globalen Gesamtwerts. Wäre die Flug-Industrie ein Land, wäre es auf Platz 7 der weltweit größten Co2-Emitter, genau hinter Deutschland.” Die gute Nachricht ist, dass auch die Luftfahrtindustrie die Wichtigkeit des Themas sieht und mit eigenen Lösungen ankommt – oder wohl vielmehr ankommen muss: Bis 2020 ist das kurzfristige Ziel der IATA, des globalen Airline-Verbandes, die Effizienz von Treibstoff um 1,5% pro Jahr zu verbessern und somit die Co2-Ausschüttung zu reduzieren. Ab 2020 gilt „Co2-neutrales Wachstum“ (CNG), damit die Nettoemissionen trotz erhöhtem Verkehrsaufkommen gleich bleiben, und bis 2050 soll die Ausschüttung bis zu 50% im Vergleich zu 2005 abgenommen haben.

Die Lust am Fliegen. Foto: Doris

Das ist wohl die schönste Art des Fliegens. Foto: Doris

„Kein anderer Verkehrsträger hat sich so ehrgeizige Klimaziele gesetzt wie der internationale Luftverkehr“, erklärt Stephan Weidenhiller von Condor, wo im Hauseigenen CSR-Programm ConTribute alle Aspekte zum Thema Nachhaltigkeit gebündelt und bearbeitet werden. Außerdem ist die Fluglinie als Gründungsmitglied von aireg (Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany) mit der Findung von regenerativen Kraftstoffen für den Luftverkehr beschäftigt. „Zwei der wichtigsten Voraussetzungen sind ausreichend nachhaltige Rohstoffe und die Errichtung von industriellen Bioraffinerien“, Vorhaben, die aireg gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung in Angriff nimmt, denn alternativer Treibstoff ist eine wichtige Komponenten für die Energiewende im Luftverkehr. Wenn auch nicht die Einzige.

„Es gibt eine direkte Beziehung zwischen Treibstoffeffizienz und Co2-Emission“, so Christopher Suregon, „nachdem schon jetzt der Preis für Jet-Treibstoff so teuer ist, machen diese Kosten rund ein Drittel der Gesamtkosten von Fluglinien aus.“ Ein Grund, warum sowohl Fluglinien als auch die Maschinenhersteller zusätzlich daran interessiert sind, immer neue, sparsamere Konstruktionen von Flugzeugformen und Triebwerken zu finden. Schon jetzt sind aktuelle Maschinen wie die A380, A350 und Boeing 787 laut Christopher Suregon ökonomischer als früher. Condor setzt darüber hinaus auf die Nachrüstung seiner Flotte mit Winglets, aerodynamischen Tragflächenverlängerungen, durch die der Kerosinverbrauch und der Emissionsausstoß um vier bis fünf Prozent verringert werden. Und „alles was Treibstoff spart, spart auch CO2“, so Stephan Weidenhiller.

Kurzstrecken in kleinen Maschinen sind nicht wirtschaftlich und schon gar nicht umweltschonend. Foto: Doris

Kurzstrecken in kleinen Maschinen sind nicht wirtschaftlich und schon gar nicht umweltschonend. Foto: Doris

Doch nicht nur die Flugindustrie, auch Regierungen spielen eine große Rolle in der Co2-Reduktion, sind sich Fluglinien und Experten einig. „Das europäische Luftnavigationssystem ist zum Beispiel ein Patchwork von nationalen Systemen, das Flugzeuge zwingt, in einem Zick-Zack-Muster durch Europa zu kreisen“, beschreibt Suregon das Problem, „ das bedeutet zusätzlichen Benzinverbrauch und zusätzliche CO2-Ausschüttung.“ Die EU und die Flugzeugindustrie seien seit Jahren an einem gemeinsamen Europäischen Luftraum“ interessiert, so der Fachmann. Eine Forderung, die die Emissionen um ca. 10% verringern würde, die aber einige Länder nicht unterstützen.

Und wir Reisende, was ist unser Beitrag zur zitierten Energiewende?! „Technische Lösungen machen es immer einfacher, das ökologisch und ökonomisch sinnvollste Verkehrsmittel zu wählen und zwischen diesen zu wechseln“, erklärt der Experte von Condor. Wenn ich da an meine Busfahrt von Wien – Lyon denke. Oder mich an quälende Zugfahrten von Wien über die Tschechische Republik nach Berlin erinnere, kann ich nur bestätigen, dass es derzeit selbst auf vergleichsweise kurzen Strecken oft schwer gemacht wird, eine andere Option als das Fliegen in Betracht zu ziehen. Dabei ist „Fliegen auf Strecken unter 400 km in der Tat selten wirtschaftlich“, so Weidenhiller – geschweige denn ökologisch sinnvoll – und fügt hinzu: „Daher kann hier eine bessere Bahnanbindung von Flughäfen zum Beispiel sehr sinnvoll sein.“

Unsere Verantwortung: Das richtige Verkehrsmittel für jede Strecke zu wählen. Foto: Doris

Unsere Verantwortung: Das richtige Verkehrsmittel für jede Strecke zu wählen. Foto: Doris

Abgesehen von Nicht- oder Weniger-Fliegen geht es vor allem um umweltschonende Maßnahmen  auf Langstrecken, auf denen es für Reisende keine Alternative gibt. „Passagiere sollten Fluglinien wählen, die sich ihrer ökologischen Verantwortung bewusst sind“, empfiehlt da Suregon – und ich denke wieder an die Utopia-Liste der effizienten Airlines, „außerdem sollte man stark in Betracht ziehen, seine Emissionen für Flüge zu kompensieren. Wenn die Airline kein eigenes System hat, gibt es einige Anbieter, wo man es online tun kann wie Atmosfair in Deutschland oder myclimate in der Schweiz.“

Dazu fällt mir ein Spot ein, den die Regiestudentin Johanna Ickert von der HFF Potsdam gedreht hat und den ich vor kurzem gesehen habe:

Nicht eine „Augen-zu“- oder diese “Wenn ich es nicht mache, macht es jemand anders”-Mentalität bringen uns weiter, sondern ein bewusstes Entscheiden. An den Weg zurück zum generellen Nicht-Fliegen, an den glaube ich nicht – dafür ist das Unterwegssein in der Luft viel zu selbstverständlich geworden. Was ich hingegen doppelt unterstreichen kann ist die Aussage von Stephan Weidenhiller, der meint: Mobilität ist eine Errungenschaft, die nicht unterbunden, sondern gestaltet werden muss“ – und das gilt besonders beim Fliegen.

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