Nachhaltiges Reisen mit Sustainable Couch

Das Konzept von CouchSurfingHospitality Club und anderen Plattformen ist bekannt: Bei Einheimischen schlafen, neue Freunde und fremde Kulturen kennen lernen, Länder abseits von touristisch abgetretenen Pfaden entdecken – die sogenannte “hospex” (= hospitality exchange services)-Welt hat das Reisen für Millionen Mitglieder bereits zu etwas Besonderem gemacht. Seit kurzem gibt es ein neues Projekt: “Sustainable Couch” bringt den Aspekt der Nachhaltigkeit in die Gastfreundschaftsnetzwerke. Was das genau heißt, das erzählt mir der Gründer von Sustainable Couch, der Italiener Massimiliano Schilirò.


Wo man dieses Logo sieht, kann man sich auf Nachhaltiges freuen. Foto: Sustainable Couch

tripwolf: Massi, was ist die Idee hinter Sustainable Couch und wie kam es zur Gründung der Plattform?

Massi: Sustainable Couch hat das  Ziel, einige Aspekte der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit in die hospex-Erfahrung zu integrieren. Hospex sind internationale Gastfreundschaftsnetzwerke, die aus Privatpersonen bestehen, die Reisende für einen begrenzten Zeitraum kostenlos bei sich aufnehmen. Symbolisch für diese Übernachtungsmöglichkeit steht eine Couch. Sustainable Couch hat vor, die Mitglieder dieser hospex zu erreichen, um das Konzept von Nachhaltigkeit ins Zentrum jeder hospex-Erfahrung zu stellen.Die Inspiration für diese Plattform habe ich von Vienna Sustainability Group, einer CouchSurfing-Gruppe, die ich vor 1,5 Jahren gegründet habe. Die Idee dahinter war ganz simpel: Wir wollen uns mit dem komplexen Thema Nachhaltigkeit auf eine pragmatische Art auseinander setzen, aktiv werden und dabei Spaß haben. Mit anderen Worten bzw. nach unseren Motto: „Be informed, share information, get active and have fun“.

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Eine der ersten “Maßnahmen” war, eine Free Box bei Events aufzustellen.
Jeder, der etwas abzugeben hat, kann das hier tun – vielleicht sucht jemand
anderer genau dieses Stück und kann es sich einfach gratis nehmen. Foto: 

tripwolf: Was unterscheidet jetzt ein Mitglied von Sustainable Couch von anderen CouchsurferInnen?

Massi: Als Couchsurfer_in hat man normalerweise mehrere „Rollen“ – GastgeberIn, Gast, Mitglied der lokalen Community und ReisendeR. Dementsprechend habe ich für Sustainable Couch vier Hauptthemen identifiziert: Sustainable Hosting, Sustainable Surfing, Sustainable Community und Sustainable Travelling. Für jedes dieser Themen findet man auf Sustainable Couch Vorschläge, wie die hospex-Erfahrung nachhaltiger gestaltet werden kann. Mit Nachhaltigkeit ist übrigens nicht nur die ökologische, sondern auch die ökonomische und soziale Komponente gemeint.

Das kann z.B. ganz praktisch so ausschauen:
• Michael stellt seinen Gästen eine Stadtkarte sowie ein Fahrrad zur Verfügung und geht mit ihnen einen Fair-Trade Kaffee trinken.
• Julia kocht zusammen mit ihrem host ein Essen aus lokalen und saisonalen Zutaten, nachdem sie zusammen am Markt einkaufen waren und sich über ihre Essgewohnheiten ausgetauscht haben.
• Ben und Teresa, Mitglieder der lokalen Vienna sustainability group, organisieren ein Nachhaltigkeitsquiz und Straßenaktionen. Außerdem bringen sie zu jedem Treffen eine Free Box mit, um Objekte gratis auszutauschen.
• François reist von Frankreich nach Indien mit dem Fahrrad und setzt in seinem Leben die Idee von nachhaltigem Reisen um.

Das Wichtigste dabei: Es handelt sich nicht um Regeln, sondern um Vorschläge, Tipps, Ideen, die man/frau selbst adaptieren kann. Sie mögen teilweise selbstverständlich oder banal ausschauen, sind es aber nicht, weil sie auf wichtige Elemente wie Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Antirassismus beruhen.

Es besteht keine Konkurrenz zwischen den Mitgliedern von Sustainable Couch, wer am nachhaltigsten lebt oder reist. Jede/r hat hier die Chance, sich freiwillig aus Überzeugung und/oder aus Freude heraus für eine nachhaltigere Welt zu engagieren. Auf einer ganz persönlichen Basis beim Surfen/Hosten oder auf lokaler Ebene in einer Nachhaltigkeitsgruppe.

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Massi teilt bei einer Straßenaktion “Bitte keine unadressierte Werbung”-Aufkleber auf, um die Papierverschwendung bei Massenwerbung zu verhindern. Foto: 

tripwolf: Wer steckt hinter Sustainable Couch, wer sind deine Partner?

Massi: Ich habe das Projekt Sustainable Couch gegründet und trage es mit viel Enthusiasmus voran. Ich investiere dafür gern meine Freizeit (ziemlich viel) und Geld (für die Website, Visitenkarten, Stickers, etc.). Das mache ich sehr gerne, weil ich an das Projekt glaube und weil es mir Spaß macht. Das ganze Projekt ist für mich selbstverständlich Non-Profit, über gezielte Unterstützung in Form von Sach- oder Zeitspenden, die zur Ausweitung der Plattform beitragen, würde ich mich aber natürlich sehr freuen. Das ist übrigens teilweise schon passiert, denn Sustainable Couch würde ohne die Hilfe von vielen Freund_innen nicht existieren: von Ben und Teresa, die eine wunderschöne Website realisiert haben; über Julia, Rima, Sabine, Jess, die mir beim Texte schreiben geholfen haben; bis zur Vienna Sustainability Gruppe, eine meiner großen Inspirations- und Motivationsquellen!

tripwolf: Welche Aktivitäten macht Ihr und worauf bist du besonders stolz?

Massi: Sustainable Couch ist vor allem eine Informations- und Vernetzungsplattform. Daher spielen diese zwei Elemente eine wichtige Rolle:

- Der monatliche Newsletter, von mir „Sustainable Wave-Letter“ genannt, ist eine Infoquelle und –Welle. Sie hat das Ziel, die Leser_innen über bestimmte Themen zu informieren und gleichzeitig sie zum Handeln zu animieren, indem Erfolgsstorys und „gute Nachrichten“ aus der ganzen Welt präsentiert werden. Im Juli Newsletter berichten wir z.B. über die Fahrrad-Reise nach Indien von François, über das Vegane Rezeptheft, das Julia zusammengestellt hat oder über die Tauschgruppe „“, die Jess gegründet hat.

- Die Mitglieder von Sustainable Couch, die in wenigen Monaten die stolze Zahl von 150 erreicht haben. Sie haben in ihrem Profil die Möglichkeit zu beschreiben, was für sie Nachhaltigkeit ist und wie sie das erleben. Sie können auch andere Mitglieder durch den jeweiligen Hospex kontaktieren, Erfahrungen austauschen und sich möglicherweise im echten Leben beim Surfen und Hosten kennen lernen.

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An einem Bastelnachmittag wurden aus alten Kalendern und Tetrapacks schöne Weihnachtskarten und Geldtaschen gebastelt. Foto: 

Besonders stolz bin ich auf die vielfältigen Tätigkeiten der Vienna Sustainability Gruppe, wie im Jahresbericht 2010 zu sehen ist: Von Fair-Trade Abendessen über Straßenaktionen, von Blutspenden über Bastelnachmittage und vieles mehr. Und natürlich unsere nachhaltige Tausch- und Spaßplattform „Free Box“, die ein Jahr gefeiert hat (dazu ein Jahresbericht). Jede_r hat die Möglichkeit, die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten einzubringen, mit den anderen zu teilen und aktiv zu werden!

tripwolf: Wie kann man zu Sustainable Couch kommen, was muss man / frau tun?

Massi: Am einfachsten abonniert man/frau den monatlichen Newsletter und tritt der  bei, um sich eine Idee von Sustainable Couch zu machen. Weiters natürlich ein eigenes Profil erstellen, wobei ich hier betonen möchte: Es ist wichtig, sich ein bisschen Zeit dafür zu nehmen, um Informationen über sich und die eigenen Tätigkeiten zu schreiben. Denn nur so können andere Leute wissen, was die Mitglieder tun, um ihre hospex-Erfahrungen nachhaltig zu gestalten.

Außerdem bin ich immer auf der Suche nach interessanten Geschichten/Initiativen von Mitgliedern, die ich im Newsletter vorstellen und gleichzeitig bewerben kann. Ich freu mich auch über Feedback, Vorschläge und natürlich, wie schon erwähnt, auch über Hilfe, z.B. beim Newsletter redigieren, Website aktualisieren, etc. Bei Interesse kann man mir auch einfach schreiben: 

tripwolf: Was hat sich für dich innerhalb dieser Zeit geändert, was hast du gelernt?

Massi: 
Ich habe die Vienna Sustainability Gruppe im November 2009 online gegründet. Damals wusste ich nicht mal, ob ein erstes Treffen mit echten Menschen überhaupt zustande kommen würde. Seither hat sich so viel getan, aus einer Idee ist eine aktive lokale Gruppe entstanden, daraus ein ganzes Konzept, eine Website, ein Workshop, den ich zum Thema vorbereitet habe, etc. Das war und ist für mich schön und erfüllend. Gleichzeitig habe ich gelernt, dass es nicht um schnelles Wachstum geht, wie in unserem Wirtschaftssystem ständig zu hören ist. Eine Initiative braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Für mich war von Anfang an klar, Sustainable Couch soll ein partizipatives Projekt werden, in dem ich zwar die treibende Kraft bin, gleichzeitig aber viele andere Menschen mitbestimmen und mitgestalten können. Das ist für mich eine sehr gute Strategie, um Spaß und Energie für das Projekt nachhaltig (im Sinne hier von „dauerhaft“) zu bewahren. Dabei hat mich der Lern- und Werdegang „Pioneers of Change“, an dem ich 2010 teilgenommen habe, besonders unterstützt.

Monatstreffen beim Jugendinfo Wien 500x332 Nachhaltiges Reisen mit Sustainable Couch
Monatstreffen bei der Jugendinfo WienBei diesem Treffen haben die Teilnehmer_innen viel über freiwilliges Engagement erfahren. Foto: 

tripwolf: Du verlässt deine Wahlheimat Wien, was passiert mit Sustainable Couch?

Massi: Sustainable Couch kommt auf Reise mit mir mit! Ich bin ab September in Brasilien und werde für voraussichtlich zumindest ein Jahr in Lateinamerika herumreisen. Während ich „on the road“ bin, möchte ich so viele Couches surfen wie möglich, nachhaltige Erfahrungen erleben, die Idee von Sustainable Couch verbreiten…und natürlich ganz viel lernen. Denn, damit eine nachhaltige hospex-Erfahrung wirklich gelingt, sind Respekt und interkulturelles Verständnis absolut wichtig.

Was die Vienna Sustainability Group betrifft, ist sie in besten Händen, denn ab Juni engagieren sich drei neue Moderator_innen für die Gruppe!

tripwolf: Danke, Massi, für das Gespräch! Viel Erfolg für dich und deine Vorhaben!

Mehr zu Sustainable Couch finden sich in einem Artikel auf Biorama, in der und natürlich auch derPlattform selbst. Das Logo gibt es als Sustainable Couch Sticker auch zum Downloaden.

Erstveröffentlicht auf tripwolf, am 16. August 2011

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