Tun statt Prob(ier)en: Wie sich Rio auf den Karneval vorbereitet

Quem nao gosta de samba.
Bom sujeito nao eh.
Eh ruim da cabeca.
Ou doente do pe.

Wer Samba nicht mag, der ist kein gutes Subjekt. Er hat entweder einen Schaden am Kopf. Oder einen in den Beinen. – So singt die Band Novus Baianos. Cristiane können sie damit nicht gemeint haben: Meine Freundin, bei der ich einige Tage in Rio de Janeiro (sprich: Hiu – !!! – de Schanero) verbringen darf, liebt “ihren” Samba. Wie wohl die meisten Brasilianer. Oder sagen wir mal, die meisten Cariocas, wie die Einwohner Rio de Janeiros sich selbst bezeichnen.

Versammlung

“Wie könnte ich das hier verlassen? “, hat mich Cristiane gestern gefragt. In einer kurzen Atempause, in der sie nicht einen der bekannten Samba-Songs mitgegrölt hat. Lautstark. Hüften wippend. Tanzend. Und schwitzend. Es ist schließlich verdammt heiß hier in Rio, auch um 20.00 Uhr. Vielleicht liegt die Hitze aber daran, dass wir uns mit geschätzten zehntausend anderen zu heißen Rhythmen bewegen und der Musikband, dem sogenannten Bloco folgen. “Heute ist kaum etwas los. Zu Karneval sind zehnmal so viele Menschen auf den Beinen”, meint ihre Freundin Mari, die mit uns gemeinsam unterwegs ist. Ich komme noch mehr ins Schwitzen….

Cristiane & ich mittendrin beim Feiern: Wer kann da auch widerstehen? Foto: Doris

Cristiane & ich mittendrin beim Feiern: Wer kann da auch widerstehen? Foto: Doris

Um 17.00 war der Start der Bloco-Probe im Ausgeh-Viertel Lapa angesetzt, in dem zu Karneval – in diesem Jahr offiziell in der letzten Februar bis ersten März-Woche – 24 Stunden etwas los ist. “Theoretisch könnte man zwei Wochen durchfeiern”, erklärt mir Cristiane, während wir uns mit den anderen Wartenden (natürlich ist die Parade noch nicht gestartet, wir sind ja in Brasilien) ein Bier genehmigen, gibt aber zu: “Ich habe es noch nicht geschafft. Bei mir waren es nur fünf Tage. Mit Schlaf dazwischen.” Wenn nicht plötzlich die Trommeln – ähm, sorry, Surdo (große Basstrommeln) - einfallen würden, begleitet von einem Saxophon-ähnlichen Blasinstrument, ich hätte wohl laut: “Waas?” gerufen. Meine Verblüffung wird aber definitiv im Keim erstickt. Es geht los!

Vier Stunden und einige Blasen an den Füßen später (okay, dank gutem Schuhwerk blieben mir die erspart) habe ich einen Verdacht, den mir Cristiane gleich bestätigt: “Seit Jahresanfang sind jedes Wochenende täglich einige Blocos unterwegs und proben öffentlich für den Karneval” – Dachte ich´s mir doch: Warum sollten die Cariocas auch nur zwei Wochen durchfeiern, wenn sie es zweieinhalb Monate tun können?!

Da muss man sich ja sicher fühlen? Gefeiert wird unter Polizei-Bewachung. Foto: Doris

Da muss man sich ja sicher fühlen? Gefeiert wird unter Polizei-Bewachung. Foto: Doris

Seit mehr als zweieinhalb Monaten proben auch die Spanta Nenem, ein recht kleiner Bloco (mh, 50 Leute?!), der sich am nächsten Tag zur Probe im Gemeindezentrum der Favela Santa Marta versammelt. “Hast du schon mal eine Samba-Bateria gehört?”, fragt mich Leandro, ein Freund von Cristiane, der selbst in der Gruppe mit trommelt und uns eingeladen hat. Ich schaue mich um, habe schon vorsorglich die Daumen in den Ohren: “Es wird noch lauter? Das ist nicht alles?” Die Lautstärke im Raum, in der einige Kinder von einer Trommel zur Nächsten laufen und mit sichtbarem Vergnügen alles schlagen, betrommeln, beschreien…, hat mich schon beim Betreten des Raums umgeworfen. Leandros Antwort höre ich gar nicht mehr. Muss ich auch nicht, denn schon haben sich Männer, Frauen, Junge, Alte, Schwarze, Blonde unter Aufsicht des Maestros in Pose geworfen und lassen Samba-Rhythmen ertönen. Eine Stunde lang. Wie sie das durchhalten, weiß ich nicht – mir fällt nach 5 Minuten schon die Kamera aus den Händen, mit der ich versuche, diesen Moment einzufangen. Der Versuch scheitert sowieso: Den Pegel hält meine Canon nicht aus…

Ein "kleiner" Bloco bei der Probe für den Karneval. Foto: Doris

Ein “kleiner” Bloco bei der Probe für den Karneval. Foto: Doris

Mein Kopf schon. Meine Beine auch, die kaum ruhig halten können. Wer hätte es gedacht: Ich bin offenbar nach der Definition der Band Novus Baianos ein gutes Subjekt. Ich mag Samba nicht nur. Ich liebe ihn!  

Auch wenn ich Samba liebe, eine Musikerin wird nicht aus mir. Foto: Cristiane

Auch wenn ich Samba liebe, eine Musikerin wird nicht aus mir. Foto: Cristiane

 

Tipp:

Die richtige Ausrüstung im Karneval ist die halbe Miete:

  • festes Schuhwerk, Flip-Flops sind normalerweise zwar großartig im heißen Rio, aber im Karneval ist die Gefahr einfach zu groß, dass dir jemand auf die Füße steigt. 
Das richtige Schuhwerk hilft im Karneval - und auch davor. Foto: Doris

Das richtige Schuhwerk hilft im Karneval – und auch davor. Foto: Doris

  • Wasserflasche (!) 
  • lockere Kleidung: Es wird geschwitzt, auch wenn man sich kaum tanzend bewegt (okay, das ist bei den Rhythmen gar nicht möglich….)
  • kleinst mögliche Tasche, die sich gut verschließen lässt – Diebe sind überall: Ein bisschen Kleingeld (für Bier und Co.), nichts Wertvolles. Am besten alles in Plastik verpacken – im Karneval wird mit Wasser gespritzt, und die Abkühlung nimmt jeder dankbar an!
  • und ja, für die Gratis-Blocos darf sich auch die mitziehende Menge schminken, verkleiden und bunt herrichten. Bei den Shows der Samba-Schulen, bei denen man im Publikum sitzt, ist das nicht notwendig. 

Wer gerade im Karneval wissen möchte, wo die Blocos unterwegs sind und wo noch Platz ist, ihnen zu folgen (und keiner lokalen Insider-Gruppe angehört), kann auch hier den Gruppen folgen >>

Offenlegung: Danke an Salewa für die blitzblauen Ramble, die ich zum Testen mit nach Brasilien mitgenommen habe. 

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