Wetten, dass?! Von Berlin bis in den Kongo

111 dunkelhäutige Mädchen in Teenager-Alter stehen dicht gedrängt in gleich aussehenden rosa Kleidern nebeneinander.”Waka-Waka” von Shakira singen die Schülerinnen der OLA Senior High School in Ho, Ghana lautstark und haben ein breites Grinsen auf ihren Gesichtern. Vor ihnen tanzt und hüpft ein weißer Mann mit blonder Lockenmähne, Bart und Gitarre auf und ab. Dass er genauso viel Spaß an der Aktion hat wie die Mädchen ist offensichtlich.


Fabian, so heißt der ungewöhnliche Dirigent, ist ein 30-jähriger Deutscher, der acht Monate lang mit einem 25 Jahre alten Mercedes 300 D (“El Poderoso” = der Kraftvolle) von Berlin bis in die demokratische Republik Kongo in Zentralafrika gefahren ist. Sein Weg führte ihn durch 15 Länder, über eine Strecke von ca. 18.000 km und zu zahlreichen Hilfsprojekten, für die er online auch Spenden gesammelt hat. Was ihn zu den Shakira-intonierenden Mädchen gebracht hat? Eine verrückte Musikwette: Für jede 10€ gespendetes Geld musste er eine Person finden, die mit ihm zusammen ein Lied singt – in diesem Fall waren es die Schülerinnen der High School in Ghana, die sich für Spenden in ein nahes Waisenhaus stimmlich ins Zeug legten.

Was passierte, wenn die Wette nicht erfüllt wurde, wie er überhaupt auf die Idee zu seinem Reiseprojekt gekommen ist und was seine Pläne für die Zukunft sind – auch wenn ohnehin immer alles anders kommt -, beantwortet mir Fabian, der auch schon vor der Reise via “Singing for Change” Spenden sammelte, direkt aus dem Flieger von London nach San Francisco.

Wie kamst du auf die Idee deiner Reise?
Fabian: Ich wollte einfach mal wieder was völlig anderes machen, raus aus der Routine, rein ins Abenteuer, weg von der Arbeit. Irgendetwas mit Sinn sollte es sein, auf einfach nur Reisen hatte ich keine Lust mehr. Keine Ahnung wie genau ich auf diese Idee gekommen bin, aber irgendwann hatte ich sie einfach und dann kam eins zum Anderen, ich gewann ein wenig Geld, fand ein paar Sponsoren und los ging es.

Du hattest ja ein Bestrafungssystem eingebaut, wenn du die notwendigen SängerInnen nicht auftreiben konntest. Wie kann man sich das vorstellen?
Fabian:
Meistens haben die Wetten ja geklappt. Verloren habe ich auch einmal, dann durften sich die Spender meine Strafe aussuchen: Am Ende meiner Reise zum Beispiel war ich in Peru und musste als Strafe durch den Ucayali Fluss schwimmen. Das alles gibt es in Videoform auf meinem Blog zu sehen.

Was hat dich am meisten an der Reise überrascht?
Fabian: Am meisten? Am besten? Das schönste Land? Die gefährlichste Erfahrung?
Zum Beispiel überrascht es mich, dass ich nach meiner Rückkehr nicht mehr versuche meine Erfahrungen und die Welt nach Superlativen zu ordnen und zu kategorisieren. In Afrika kommt man mit seinem westlichen Verstand oft nicht weiter, man lernt Dinge einfach hinzunehmen und nicht zu viel nachzudenken, ansonsten regt man sich nur auf oder stirbt an einem Herzanfall.
Nach einem Höllentrip durch den Norden Ghanas, fuhr mir in Kumasi ein LKW ins Auto und ich dachte es wäre das Aus von Poderoso (Anm.: Name seines Mercedes). “Fahre ich halt im Bus weiter”, dachte ich mir und blieb gelassen. Poderoso hat den Unfall dann zum Glück überlebt, aber überrascht hat es mich, wie ich mich verändert hatte und die Dinge lockerer nahm. In dieser Hinsicht können wir uns zwei Scheiben von den Afrikanern abschneiden.

Wie waren die Reaktionen und Begegnungen unterwegs?
Fabian: Die Marokkaner sind Touristen noch gewöhnt, spätestens nach der West-Sahara wird es dann aber abenteuerlich und je weiter südlich man dann fährt, desto weniger Reisende bekommt man zu Gesicht. Als ich Nigeria von West nach Ost durchquerte sah ich zwei Wochen lang keinen einzigen Weißen. Oft – wenn ich in einem Dorf anhielt und aus dem Auto stieg – liefen sofort alle Kindern schreiend davon oder versteckten sich hinter den Beinen ihrer Eltern, weil sie noch nie einen “white man” gesehen hatten. Je weiter südlich ich gekommen bin, umso mehr war das Staunen der Afrikaner darüber, wie ich es mit meinem Auto geschafft hatte, von Deutschland bis in ihr Land zu kommen. Die unzähligen Polizeikontrollen konnte ich meistern, indem ich den Polizisten meine Abenteuer erzählte, sie ließen mich dann mit einem Handschlag gehen, ohne mich zur Kasse zu bitten und wünschten mir freundlich alles Gute für meine Reise: “You are brave, we will not stop your adventure”, eine Aussage die ich öfters hörte.

Die Afrikaner waren stets sehr interessiert an mir, stellten viele Fragen, luden mich ein und waren äußerst freundlich. Ich sah eine Gastfreundschaft, wie ich es vorher noch nie erlebt hatte. Es gab viele beeindruckende Begegnungen, viele Geschichten und ich saugte sie auf wie ein trockener Schwamm.

Gibt es eine Begegnung, eine Person, die dich besonders beeindruckt hat?
Fabian: Nie vergessen werde ich Charley, den ich um halb vier Nachts in Accra kennenlernte und ihn dann in mein Baumhaus am Strand von Kokrobite einlud. Charley war ein 2 Meter großer, Muskelbepackter Hühne, der so ziemlich jedes westafrikanisches Gefängnis von innen gesehen hat. Seine Mutter starb mit 14 und von seinem Vater wurde er verlassen, als dieser eine neue Frau kennenlernte. In seiner Jugend in Ghana schlug er sich als Fischer, Pirat und Touristenführer durch und fing dann an, sich in Containerschiffen zu verstecken ohne zu wissen, wohin sie fuhren. In Gambia lernte er eine Deutsche kennen, sie heirateten und zusammen gingen sie nach Berlin. Auf der Hamburger Reeperbahn machte er sich als Türsteher einen Namen, kam jedoch wegen Zuhälterei und Drogenhandel wieder mit dem Gesetz in Konflikt und verbrachte 6 Jahre in einem Hamburger Gefängnis – nach seiner Aussage die schönste Zeit seines Lebens – wurde dann aber deportiert und versucht nun, eine Goldmine in Ghana zu unterhalten. “Zugegeben, es gibt niemanden, den man nicht lernen könnte zu lieben, sobald man seine Geschichte kennt”, dieses Zitat habe ich mal irgendwo gehört und so war es. So groß wie Charley war, so groß war auch sein Herz, von klein auf wurde er sich allein überlassen, musste irgendwie überleben, sich durchkämpfen und dies brachte ihn oft dazu die Grenzen des Gesetztes zu überschreiten. Nach einer Woche voller Geschichten und Stadttouren durch die Schwarzmärkte Accras urteilte ich nicht mehr über Charley, ich hatte Mitgefühl für ihn, wir wurden so etwas wie Freunde.

Wie würdest du deine Reise in 3 Worten beschreiben?
Fabian: Existenziell , Abenteuerlich, Lehrreich

Wenn jemand dir folgen möchte: Was würdet du demjenigen auf den Weg mitgeben oder was hättet du gern vorab (besser) gewusst?
Fabian: Ich war meistens alleine unterwegs, nicht nur als Abenteurer, sondern auch als Kameramann, Fahrer und Blogbetreiber. Nebenbei musste ich auch noch sehen, wie ich meinen Sponsoren Inhalte liefern konnte. Teilweise war das alles ein bisschen viel für mich und oft habe ich mich deswegen gestresst gefühlt. Es ist schwierig, eine gute Balance zwischen der Produktion von Output (Videos, Blogbeiträge, etc.) und dem eigentlichen Reisen und Erleben zu finden.

Auf jeden Fall würde ich beim nächsten Mal versuchen, alles vorher auszuprobieren: An Webseiten zu programmieren und Videoschnitt zu lernen, das ist in Afrika nicht so einfach. Beim nächsten Mal würde ich auch vor der Reise möglichst viele Kooperationen mit Organisationen und Firmen anfangen und versuchen deren Communities irgendwie am Projekt teilhaben lassen. Das gibt viel mehr Sichtbarkeit, mehr Spenden, man bekommt Feedback und das hebt die Motivation.

Was sind deine weiteren Pläne jetzt nach deiner Heimkehr?
Fabian:
Ich bin vor 4 Wochen wieder nach Deutschland zurückgekommen und arbeite jetzt als Berater in einer Softwarefirma in London. Jetzt gerade sitze ich in einem Flugzeug auf dem Weg nach San Francisco zu einem Firmentraining. Es geht aufregend weiter in meinem Leben und es ist fast genauso spannend und herausfordernd wie in Afrika.

Konkret möchte ich meine Eindrücke in einem Film und am besten auch in einem Buch verarbeiten. Ich plane außerdem eine neue Webseite ins Leben zu rufen, für Leute die ähnliche Projekte machen möchten. Auf der Seite werde ich eine Art von “Adventure Coaching” anbieten und Gelerntes in einem Videokurs vermitteln. Wer daran interessiert ist, brauch sich nur für meinen Newsletter auf www.fabandvivien.com anmelden und wird dann informiert, sobald die Seite erscheint.

Was hast du gelernt auf deiner Reise?
Fabian:
Vor einem Jahr war mein Reiseprojekt noch eine verrückte Idee, aber auch ein Lebenstraum. Mit einem festen Willen, der Einstellung, dass alles möglich ist und ein wenig Glück ist es mir gelungen, diesen Traum umzusetzen. Ich bin nicht der Einzige, der das kann. Wie man die Welt verbessert? Seine eigenen Träume leben, authentisch und glücklich sein, dann kann man sein Umfeld inspirieren und seine Mitmenschen vitalisieren.

Vor einem Jahr war Afrika für mich eine Collage aus Stereotypen und Bildern, die ich aus den Medien kannte. Hunger, Not, Völkermord, Armut und Malaria. Jetzt weiß ich es besser. Afrikaner sind unglaublich lebhaft und gastfreundlich, interessiert, leidenschaftlich und lebensfroh. Ich hatte nie wirklich Angst, habe mich nie wirklich Unsicher gefühlt, mir ist absolut nichts passiert und ich habe keinen einzigen Gewaltakt gesehen. Ein Freund von mir ist 5 Jahre durch Afrika gereist. Zitat: “In Barcelona fühle ich mich bei weitem unsicherer als irgendwo in Afrika”. Vorurteile und Stereotypen sollten nicht all zu Ernst genommen und am besten durch eigene Erfahrungen ersetzt werden.

Zur Zeit bin ich glücklich mit dem, was ich mache, meiner Arbeit. Um da hinzukommen war es für mich allerdings wichtig auf diese Reise zu gehen. Den Komfort, den ich vor einem Jahr noch hinter mir lassen wollte, weiß ich nun zu schätzen. Irgendwann kommt sicher auch für mich wieder die Zeit loszuziehen und dann weiß ich: Da draußen gibt es eine Welt, die darauf wartet entdeckt zu werden.

Alle Videos und Gesangsdarbietungen gibt es übrigens auf Fabians Reiseblog und im .

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